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■ Frankreich will Soldaten nach Ruanda schickenKomplize mit schlechtem Gewissen

Die Zeit der Strafexpeditionen ist gekommen. Sollte die angekündigte französische Militärintervention in Ruanda in den nächsten Tagen tatsächlich stattfinden, hätte sich Frankreich mit einem Paukenschlag in seinem „Hinterhof“ Afrika zurückgemeldet.

Die Intervention, wie humanitär auch immer französische Politiker sie begründen, wird in Ruanda und darüberhinaus als Parteinahme empfunden – für die falsche Seite. Zwar muß man Frankreichs Außenminister Alain Juppé, treibende Kraft hinter der geplanten Intervention, zugute halten, daß er die blinde Habyarimana-Treue von Teilen des französischen Establishments nicht völlig teilt, daß er das Geschehen in Ruanda „Völkermord“ nennt und damit explizit das Tun der Regierungsmilizen meint. „Diejenigen, die Massaker begangen, gefördert oder gedeckt haben“, will er von der notwendigen nationalen Versöhnung in Ruanda ausschließen. Trotzdem kann Juppé bestimmte Tatsachen nicht ignorieren: Franzosen haben das Regime Juvénal Habyarimanas – dessen Ermordung die neueste Bürgerkriegsrunde mit ihren Massakern auslöste – jahrzehntelang unterstützt. Franzosen haben nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges 1990 das ruandische Militär aufgebaut, aufgerüstet und ausgebildet. Gewisse Franzosen blieben offenbar auch nach der Stationierung einer UNO- Truppe im Herbst 1993 im Land, um die militärisch organisierten Gegner eines Friedensschlusses zwischen Regierung und RPF-Guerilla in Milizen zu trainieren und damit die Lunte für einen neuen Krieg zu legen. Juppé kann sagen, was er will – wenn Franzosen jetzt wieder bewaffnet nach Ruanda ziehen, werden die Massenmörder in den regierungstreuen Milizen ihnen zujubeln, und die RPF-Guerilla – die zwar auch Krieg führt, aber zumindest nicht wie ihr Gegenüber gezielt Zivilisten umbringt – wird gegen sie kämpfen.

Was also kann die Intervention bezwecken? Die Franzosen, so die neueste Pariser Lesart der eigenen Pläne, sollen solange bleiben, bis die afrikanische Blauhelmtruppe der UNO da ist – aber warum hilft Frankreich nicht einfach der UNO, schnell nach Ruanda zu gehen? Daß jetzt diverse afrikanische Staaten bei der französischen Aktion mitmachen wollen, steigert nur die Konfusion. Werden bald in Ruanda „französische“ Senegalesen und UNO-Senegalesen in getrennten Trupps mit demselben „humanitären“ Auftrag herumfahren? Entweder Frankreich will tatsächlich humanitär wirken – was in der gegenwärtigen Situation vor allem heißen muß, den Milizen in Kigali ihre Opfer wegzunehmen, womit die französische Mission die der Vereinten Nationen doppeln würde –, oder Frankreich will etwas anderes, und dann ist sofort der Vorwurf und vielleicht auch der Fakt der Parteinahme für Mörder zur Hand.

Das zentrale Problem ist folgendes: Afrika ist für Frankreich ein großes Exerzierfeld. Wo sonst kann Frankreich Großmacht spielen, wenn nicht in Afrika, wo traditionell wenig wahrgenommene Pariser Kreise mit geringem Aufwand außerordentlich viel Schaden anrichten können? Andererseits: Wie hoch darf der Schaden sein, um das Prestige der Großmacht nicht irreparabel zu gefährden? Ruanda eignet sich hervorragend als Bühne, auf der Effekthascherei den Wunsch nach neuer Geltung bedient. Der verschiedentlich geäußerte Vergleich der geplanten französischen Aktion mit der Landung der US-Marines am Strand von Somalia im Dezember 1992 ist aufschlußreich. Man erinnere sich: Die Marines bewirkten nichts, aber plötzlich hatten die USA eine strahlende neue Afrika- Politik – wenn auch nur kurz. Vielleicht hat eine französische Ruanda-Intervention ja den Effekt, daß jene französische Schattendiplomatie, die den Krieg bislang maßgeblich gefördert hat, zugunsten eines international besser abgestimmten Engagements zurücktreten muß. Zumindest Juppés Vorstoß, der anders als Präsident Mitterrands Gerede von „einer Frage von Stunden“ bedächtiger angelegt und mit der UNO abgestimmt ist, drückt in Ansätzen ein schlechtes Gewissen gegenüber den mörderischen Konsequenzen der bisherigen französischen Politik aus. Ein Frankreich, das kein Komplize mehr sein will und daher gegen sich selbst interveniert? Es wäre die einzige gutwillige Lesart dieser ansonsten nur als katastrophal zu empfindenden Vorgänge. Dominic Johnson

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