: Was wollen die Franzosen?
■ Art des Ruanda-Einsatzes völlig unklar / Sicher ist nur: Die RPF ist dagegen
Paris/Berlin (wps/AFP/taz) – Die geplante französische Interventionsstreitmacht in Ruanda soll nach Angaben französischer Diplomaten und Politiker etwa 1.000 bis 2.000 Mann umfassen und bis zur von der UNO bereits beschlossenen Entsendung einer neuen 5.500köpfigen Blauhelmtruppe andauern – also etwa ein bis zwei Monate. Feste Truppenzusagen soll es bisher aus Italien und Senegal geben, wobei weitere Beteiligungen sowohl aus Westeuropa wie auch aus Afrika noch erhofft werden. Nicht eindeutig sind bislang die französischen Aussagen über Einsatzort und Mandat der Truppe. Sowohl von „Sicherheitszonen“ für Zivilisten in gewissen „besonders bedrohten Regionen“ wie auch von einem Einsatz an den „Grenzen zu Ruanda“ war am Wochenende in Paris die Rede. Wenn mit letzterem die Grenzen zu Burundi und Tansania gemeint sind, hätte dies den Sinn, eine bereits in Ansätzen begonnene Ausweitung des ruandischen Konflikts zu verhindern.
Modell steht bei der ganzen Operation die US-Streitmacht, die im Dezember 1992 in Somalia landete, die bereits bestehende UNO- Truppe dort weitgehend ignorierte und das Land im Mai 1993 an eine erweiterte UNO-Mission übergab. Wie die US-amerikanische Somalia-Truppe soll auch die französische Ruanda-Truppe der bei UNO-Blauhelmsoldaten üblichen Beschränkung des Schußwaffengebrauchs auf Selbstverteidigung nicht unterliegen. In Paris ist ohne Präsizisierung von „punktuellem“ Eingreifen in den Bürgerkrieg die Rede. Ungeklärt ist ferner – wie in Somalia – die Zusammenarbeit zwischen Interventionstruppe und UNO, vor allem mit der bereits existierenden UNO-Einheit in Ruandas Hauptstadt Kigali, welche ja noch immer versucht, die in den von der Regierung gehaltenen Stadtvierteln festsitzenden und von der Ermordung bedrohten Tutsi-Flüchtlinge zu evakuieren.
Der Charakter des französischen Einsatzes ist offenbar zwischen Präsident François Mitterrand und Außenminister Alain Juppé umstritten. Mitterrand, ein enger Freund des früheren ruandischen Präsidenten Habyarimana, tendiert zu einem Alleingang nach klassischer Art früherer französischer Afrika-Expeditionen – vermutlich wissend, daß dies als Eingreifen in den Krieg auf seiten der ruandischen Regierung verstanden werden würde. Das Außenministerium will die Truppe explizit unter UNO-Mandat stellen und betont die Notwendigkeit, bedrohte Zivilisten zu schützen – verwiesen wird auf das Massaker an über 160 Waisenkindern durch regierungstreue Milizen in Kigali letzte Woche sowie die jüngsten Vorgänge um die Kirche der Heiligen Familie in Kigali, wo regierungstreue Milizen die UNO daran hinderten, mehrere tausend in die Kirche geflohene Tutsi-Flüchtlinge zu evakuieren, und statt dessen mehrmals Flüchtlinge zur Exekution abholte, bis RPF-Einheiten am vergangenen Freitag die Kirche stürmten.
Ob sich die Linie Mitterrands oder die Juppés durchsetzt, könnte entscheidend für den Verlauf der Militärintervention sein. Die RPF hat unter Verweis auf die frühere Unterstützung der ruandischen Regierung durch Frankreich erklärt, daß sie einen französischen Einsatz in Ruanda als „feindlichen Akt“ und „aggressives Vorgehen einer Nation gegen eine andere“ betrachten wird, während sie zugleich ihre „positive Haltung“ gegenüber einer „humanitären Mission der UNO“ unterstreicht. In Erwartung des französischen Einmarsches hat sie ihre Versuche, Kigali gänzlich zu erobern, verstärkt und die Bevölkerung zum Kampf gegen die Franzosen aufgerufen. Juppé hat darauf mit der Erklärung reagiert, er werde „versuchen“, die RPF zu „überzeugen“. Gespräche zwischen französischen Diplomaten und Politikern beider Seiten in Ruanda sollen bereits im Gange sein. D.J.
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