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Grobe Vereinfachung -betr.: "Mit den Wölfen säuseln", taz vom 16.6.94

Betr.: „Mit den Wölfen säuseln“, taz vom 16.6.94

Da die taz nun schon zum zweiten Mal einen peinvollen Kommentar zum Thema der Rückführung publiziert hat, den keinerlei Sachkenntnis, sondern nur Polemik und einfaches Schwarz-Weiß-Denken auszeichnet, muß ich nun doch einmal mit einem Leserbrief reagieren.

Ich vermute, Herr Dworschak war auf einer anderen Pressekonferenz als ich. Revanchistisch angehauchte Forderungen und Appelle, wie sie der Senatorin für Kultur und Ausländerintegration unterstellt werden, habe ich nicht gehört. Im Gegenteil. Aus meiner Sicht völlig nachvollziehbar hat Frau Trüpel appelliert, daß beide Seiten an einer gemeinsamen Lösung dieser in der Tat äußerst schwierigen Frage arbeiten, die der veränderten Situation zwischen den beiden Staaten und dem Geist, der die Verträge 1990 und 1992 geprägt hat, entspricht. Eine Lösung, die eben gerade nicht aufgerechnet und Vorwürfe macht oder Kulturgüter zum Schachergegenstand degradiert.

Was mich einfach ärgert, ist die grobe Vereinfachung, die in dem Kommentar vorgenommen wird. Nicht jeder, der der Meinung ist, daß Kulturgüter in Kriegen von keiner Seite als Beutegut oder als Reparationsleistungen mißbraucht werden dürfen, will damit die Folgen des Faschismus tilgen. Was für ein absurder Gedanke! Ebensowenig wird damit das Schicksal der Zwangsarbeiter vom Tisch gefegt – auch nicht die Tatsache, daß sich die Bundesrepublik in dieser Frage nun wirklich nicht angemessen verhalten hat. Hier findet neben der Simplifizierung auch eine sehr unzulässige Vermischung statt.

Sehr überzeugend wurde nicht mit dem „europäischen Zaunpfahl“ gewunken, sondern die Hoffnung auf ein politisches Signal geäußert. Darauf, daß zwischen diesen in ihrer Geschichte so belasteten Ländern ein Miteinander möglich ist, auch in so kniffligen Fragen wie der der verlagerten Kulturgüter.

Es war der russische Stipendiat Kozlov, der gesagt hat, er habe Angst, daß aus dem letzten Baustein der Mauer des überwundenen Kalten Krieges in seinem Land der erste Baustein eines neuen Kalten Krieges wird. Wie man in letzter Zeit aus der Presse entnehmen konnte, haben vor allem die nationalistischen Strömungen in Rußland in den letzten Wochen mit hanebüchenen Argumenten und unter völliger Negation der bestehenden Verträge zwischen Rußland und der Bundesrepublik gegen die Rückführung Stimmung gemacht. Es sind diese Strömungen, die Herr Dworschak mit seiner ach so altruistischen und vergangenheitsbewußten Stellungnahme unterstützt. Daß eine grüne Senatorin aber mit diesen Wölfen „säuselt“, wird ja wohl nicht einmal er ernsthaft erwarten. Frank Eckart

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