: Grüne sind nicht so ganz unglücklich
■ Die Grünen drücken wieder die Oppositionsbank und bilanzieren ihre Regierungszeit
Als gestern die neue Landesregierung in Hannover vereidigt wurde, waren die Grünen nur noch Zuschauer. Etliche in der Partei sind nicht ganz unglücklich über die Rückkehr auf die Oppositionsbank. Zwar überwog in den offiziellen Bilanzen der Stolz über vier Jahre Regierungsverantwortung, doch manchen war der Preis dafür zu hoch. Nach der Zustimmung zur Emsvertiefung, zur Fortsetzung der Müllverbrennung und zur Mercedes-Teststrecke fordern sie eine Rückbesinnung auf urgrüne Politikfelder.
Doris Hermann, zum Beispiel, ehemalige Landtagsvizepräsidentin, die im Herbst 1991 wegen des „gnadenlosen Klimas in der Fraktion“ das Handtuch warf. Neben dem Profilierungsstreben einiger Fraktionsmitglieder hatte sie damals vor allem der zu pragmatische Umgang mit ökologischen Forderungen zum Rücktritt bewogen. Zwar sei es „für die Sache“ schlecht, daß die Grünen als Kollektiv gegen die allzu industriebeflissene Schröder-Politik fehlten, erklärte sie jetzt der taz, „aber für die Partei ist es ganz gut, sich wieder mehr auf ihr Programm zu besinnen.“
Kritik aus der Partei trifft auch den Ex-Minister Jürgen Trittin, obwohl er in der Asylpolitik deutlich grüne Konturen gezeigt und sich auch sonst radikal-demokratisch profiliert hat, was ihn zum bestgehaßten Mann der Opposition machte. 21 Mal ließen FDP und CDU Mißbilligungsanträge gegen Trittin auf die Tagungsordnung setzen, bilanziert der scheidende Minister.
Doch die Bilanz mancher Mitglieder nach vier Jahren Bundesratsministerium lautet: Koalitionsschmied Trittin hat an Profil gewonnen, aber die Partei hat dafür Terrain preisgegeben. Sichtbares Zeichen des Unmuts: Nur knapp erreichte Trittin bei der Aufstellung der Landesliste den ihm zugedachten zweiten Platz. Während von Anfang an klar gewesen sei, daß Trittin ein Ministerium bekommen solle – ganz egal welches – hätten die Grünen versäumt, bereits im Wahlkampf eine glaubwürdige Kandidatin für das Umweltministerium aufzubauen und hätten dann nichts in der Hand gehabt, als Schröder die ehemalige Greenpeace-Aktivistin Monika Griefahn aus der Tasche zog. Ganz soweit würde das Ex-Landtagsmitglied Kalle Puls-Janssen nicht gehen. In der Asyldebatte, der Gedenkstättenarbeit und der Entwicklungspolitik habe habe Trittin aus seinem „Frühstücksministerium“ erstaunlich viel gemacht, dennoch: „Allen war klar: Das war kein Schlüsselministerium zur Umsetzung grüner Politik. In der Vorbereitung einer erneuten Regierungsbeteiligung hätten wir versuchen müssen, das Finanz- oder Wirtschaftsministerium zu besetzen.“
Von machtpolitischer Abstinenz zur Läuterung des grünen Gewissens hält Puls jedoch nichts. „Opposition mit Augenmaß“, lautet die Empfehlung des künftigen Hausmannes, denn die Grünen könnten bald schon wieder auf der Regierungsbank sitzen. Der „Tag X“, an dem die Einstimmen-Mehrheit der SPD nicht mehr hält und grüne Regierungsbeteiligung wieder gefragt ist, wird kommen, glaubt auch der grüne Landtagsabgeordnete Erich von Hofe. So scheint der Zeitraum für grüne Besinnungsarbeit begrenzt.
Annemarie Struß-von Poellnitz
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