Bremens Schulen „kaputt und dreckig“

■ 1.500 LehrerInnen protestierten gegen Sparmaßnahmen und forderten ihre Verbeamtung

Zumindest in einem Punkt hatten rund 1.500 Bremer LehrerInnen gestern schnell Einigkeit mit den finanzpolitischen Sprechern der Ampelfraktionen hergestellt: Die Möglichkeit stufenloser Stundenreduzierung bis hin zu einem „Sabbatjahr“ bei gleichzeitiger Neueinstellung junger LehrerInnen im Umfang des eingesparten Gehalts wird begrüßt. Doch bereits bei den Details gingen die Meinungen auf der Personalversammlung in der „Glocke“ schon wieder auseinander. Denn während der Personalrat die ersten Neueinstellungen durch diese Regelung bereits für das kommende Schuljahr fordert, verwiesen die Finanzpolitiker darauf, daß Stellen nicht bereits bei Absichtserklärungen, sondern erst dann wieder besetzt würden, wenn ihre bisherigen InhaberInnen sich auch tatsächlich ins „Sabbatjahr“ verabschieden.

Im Übrigen konnten LehrerInnen und Finanzpolitiker keine Ebene gemeinsamer Diskussion finden. Während die PädagogInnen in zahlreichen Redebeiträgen in düstersten Farben das Ende des bremischen Bildungswesens beschworen, versuchten die Politiker, ihre Sparzwangslage zu erklären, in der an einer Stelle nur ausgegeben werden kann, was an anderer Stelle wieder eingespart wird. Doch auf diese Diskussion wollte sich außer ihnen niemand einlassen. Und Erika Bosecker, Vorsitzende des Personalrats Schulen, rief ihnen unter großem Applaus zu: „Befreien Sie sich aus dem Gefängnis der Eckwerte.“

Auf „fünf nach zwölf“ stünde die Uhr in Bremens Schulen, in denen es „kaputt und dreckig“ sei und wo „der Putz von den Wänden fällt“, hieß es in den Redebeiträgen. Das Durchschnittsalter der LehrerInnen werde 1996 auf über 50 Jahre steigen, die „Zukunft von Kindern und Jugendlichen“ werde so „verspielt“. Bremens LehrerInnenschaft fand offensichtlichen Gefallen daran, den eigenen Arbeitsplatz als Horrorszenario zu beschreiben. Und ein SchülerInnen-Kabarett sang den Ampelpolitikern vor: „Wir sind Euch egal, scheißegal.“

Lediglich aus der Schule für geistig Behinderte am Wasser in Bremen-Nord kamen etwas andere Töne: „Ich bin seit 1961 in diesem Bereich aktiv“, sagte eine Lehrerin, „das war immer ein Kampf. Aber zum ersten Mal in diesen 33 Jahren geht es dabei nicht mehr um einen weiteren Fortschritt in der kontinuierlich verbesserten Situation unserer Schule, sondern um die Verhinderung von Rückschritt.“

Drei Stellen würden inzwischen an der Schule fehlen. Doch das vom Bildungssenator geplante Programm zur Umschulung von SEK-II-LehrerInnen für die Sonderschule werde da nicht helfen: „Denen fehlt doch jegliche Qualifikation“, sagte die Lehrerin, „und dann gehen sie nach einem Jahr erstmal wieder für zwei Jahre zum Studium nach Hamburg.“ Und erst nach dessen Abschluß müssen sie entscheiden, ob sie tatsächlich auf Dauer in der Sonderschule arbeiten, oder doch lieber wieder an ihr SEK-II-Zentrum zurückgehen.

Besonders glücklich ist man auch im Bildungsressort nicht über diese Regelung. Doch auf einen solchen Anreiz meint man angesichts der wenig ausgeprägten beruflichen Flexibilität im überbesetzten SEK-II-Bereich nicht verzichten zu können. Ressort-Sprecher Jürgen Holtermann: „In Lemwerder wäre doch jeder froh, wenn ihm statt der Entlassung eine solche Fortbildungsmöglichkeit auf Firmenkosten geboten würde.“

Doch trotz aller harten Kritik – im Grunde lieben Bremens LehrerInnen ihren Staat sehr. Deshalb war eine der am meisten diskutierten und beklatschten Forderungen der Personalversammlung die Übernahme aller LehrerInnen ins Beamtenverhältnis. Daß das zwar am Anfang für den Staat billiger, nach einigen Jahren aber angesichts der Pensionszahlungen deutlich teurer würde, mochte die Versammlung nicht recht zur Kenntnis nehmen. Da half auch der Einspruch des grünen Finanzdeputierten Dieter Mützelburg nichts. Für seinen Hinweis darauf, daß die Gewerkschaft GEW jahrelang gefordert hatte, LehrerInnen nicht als Beamte, sondern als Angestellte zu beschäftigen, bekam er keinen Applaus. Ase