Frankreich marschiert in Ruanda ein

■ Einsatz vorerst in Grenzregion / RPF-Guerilla: Franzosen „Aggressoren“ / UNO erwägt Abzug

Paris/Berlin (AFP/taz) – Frankreichs Militärintervention in Ruanda hat begonnen. Gestern abend sollten 600 französische Soldaten in der südwestruandischen Stadt Cyangugu eintreffen, einer der Hochburgen der für die Ermordung von Hunderttausenden Ruandern verantwortlichen Regierungstruppen und regierungstreuen Milizen. Dort sollen sie nach Angaben aus französischen Militärkreisen 8.000 Angehörige der Tutsi-Minderheit retten, die derzeit zum größten Teil im Sportstadion der Stadt festgehalten werden.

Bei der „Opération Turquoise“ („Operation Türkis“) will die französische Armee in Ruanda insgesamt 2.500 Mann einsetzen, die von den unmittelbar an der Grenze liegenden zairischen Städten Goma und Bukavu aus starten. Dazu kommen 100 Soldaten aus Senegal. Die Militäroperation soll vorläufig auf den Südwesten Ruandas begrenzt bleiben und sich nicht auf die Gebiete erstrecken, in denen Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen der Patriotischen Front Ruandas (RPF) stattfinden. Verteidigungsminister François Leotard sagte, Frankreich wolle sich „sowenig wie möglich auf ruandischem Gebiet engagieren und auf keinen Fall Partei in dem Konflikt ergreifen“. Die Soldaten hätten Anweisung, Konfrontationen mit der RPF – die angekündigt hat, die Franzosen als „Aggressoren“ zu behandeln – zu vermeiden. In Paris ist von der Schaffung eines „humanitären Korridors“ zur Evakuierung von „Kindern, Waisen und Kirchenmitgliedern“ die Rede, wobei davon ausgegangen wird, daß die ruandischen Regierungstruppen die Franzosen als Freunde begrüßen und nicht schießen. Die öffentlich angegebene Zielsetzung der Operation bleibt damit deutlich hinter früheren Absichtserklärungen französischer Politiker zurück. Gründe dafür sind die Ablehnung der Intervention durch die RPF und die wachsende internationale Skepsis. Der UN-Sicherheitsrat billigte das französische Vorhaben zwar mit fünf Enthaltungen am Mittwoch abend – doch mit Zurückhaltung, wie es die UN-Botschafterin der USA, Madeleine Albright, ausdrückte: „Wir müssen flexibel genug sein, um unvollkommene Lösungen zu akzeptieren.“ Die Westeuropäische Union (WEU) und die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) hatten zuvor Kritik an einem französischen Alleingang geübt.

Die bereits in Ruandas Hauptstadt Kigali anwesende UNO-Mission aus 500 Soldaten könnte jedoch das erste Opfer der französischen Intervention werden. 42 UNO-Soldaten aus frankophonen afrikanischen Staaten ließen sich bereits am Mittwoch aus Kigali ausfliegen, um eventuellen Racheakten der RPF zu entgehen. Die verbliebenen UN-Mitarbeiter fürchten nun, zu Geiseln der RPF zu werden. UNO-Militärsprecher Jean-Guy Plante sagte gestern, die UNO sei darauf vorbereitet, alle ihre Blauhelme aus Ruanda zu evakuieren. Kommandant Romeo Dallaire bestätigte, das Verhalten der RPF gegenüber der UNO sei in den letzten Tagen „viel unfreundlicher“ geworden. Die Rebellenorganisation wies gestern alle Franzosen aus dem von ihr kontrollierten Gebiet aus und warnte, Frankreich könnte mit seinem Vormarsch „die gesamte Region in Brand setzen“. Der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Walter Zuber (SPD), sprach sich für einen humanitären Bundeswehreinsatz in Ruanda nach Kriegsende aus. Tagesthema Seite 3