: Historische Friedensreise
■ Guatemalas Bürgerkriegsparteien schließen in Oslo zwei Abkommen
Oslo (taz) – Nach elftägigen Verhandlungen wurden am Donnerstag in der norwegischen Hauptstadt Oslo zentrale Regelungen zur Beendigung des 34jährigen Bürgerkriegs in Guatemala getroffen. Regierung und Guerilla einigten sich auf zwei Abkommen, die nach Einschätzung von Hector Rosado, Leiter der guatemaltekischen Regierungsdelegation, „den Weg zu Frieden und Versöhnung öffnen“.
Mehr als 150.000 Menschen sind in dem Bürgerkrieg vertrieben oder zwangsumgesiedelt worden. Ein in Oslo vereinbartes Rückführungsabkommen sieht die Repatriierung von 45.000 Flüchtlingen aus Mexiko vor sowie die Rückführung der innerhalb des Landes umgesiedelten Maya-IndianerInnen. Innerhalb von 60 Tagen soll eine Kommission, die sich um die Durchführung kümmert, ihre Arbeit aufnehmen. Sie soll aus je zwei Repräsentanten von Regierung und der Guerillabewegung URNG sowie zwei internationalen Beobachtern bestehen. Da viele Flüchtlinge nicht über Ausweispapiere und Nachweise über ihren Besitz verfügen, besteht ein wesentlicher Teil des Abkommens aus Regelungen, wie staatsbürgerliche und private Rechte wiederhergestellt werden können. Norwegen und Schweden haben als erste Staaten für die Repatriierung Hilfe von jeweils einer Million US-Dollar zugesagt.
Das zweite Abkommen sieht die Einrichtung einer „Wahrheitskommission“ vor. Die Untersuchungsgruppe hat die Aufgabe, Verantwortlichkeiten für die Massaker und Gewalttaten während des Bürgerkriegs festzustellen. Während das Flüchtlingsabkommen bereits am vergangenen Wochenende unterzeichnet werden konnte, wurde für das Zustandekommen der „Wahrheitskommission“ das Treffen um eine Woche verlängert. „Die letzten Meter waren mehr als schwer. Beide Seiten sind an die äußersten Grenzen ihrer Kompromißbereitschaft gegangen“, seufzte der Staatssekretär im norwegischen Außenministerium, Jan Egeland, am Ende erleichtert.
Die jetzt gefundene Lösung sieht die Installierung einer dreiköpfigen Kommission vor. Beide Parteien stellen je ein Mitglied, das dritte wird vom UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali ernannt. Die Kommission soll Ermittlungen durchführen und eine Art staatsanwaltschaftliche Kompetenz erhalten. Ob und in welcher Form es zu einer rechtlichen Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen kommen wird, steht damit noch in den Sternen. Über 150.000 Menschen wurden im Bürgerkrieg getötet, mehr als 40.000 sind spurlos verschwunden.
Beide Seiten hoffen, bis spätestens September zu einer Waffenruhe gelangen zu können. Im Dezember soll ein unterschriftsreifes Friedensabkommen vorliegen. Jean Arnault, der UN-Verhandlungsleiter in Oslo, bescheinigte beiden Parteien einen „ernsthaften Friedenswillen“. Sie hätten sich auf eine „historische Friedensreise“ begeben. Reinhard Wolff
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