Standbild: Makellos selbstvergessen
■ "Charles, der ewige Kronprinz"
„Charles, der ewige Kronprinz“, Freitag, 21.15 Uhr, ZDF
Charlie geht es nicht gut. Angestrengt und verspannt schweift sein Blick ins Abseits. Unerbittlich ist das rat pack hinter ihm her; die Spektakeljäger vom Royalty TV. 25 Jahre ist er schon oberster Azubi in Buckingham Palace. Sein Beruf: Thronfolger.
Dienst ist Dienst – das gilt auch für den Londoner ZDF- Korrespondenten Theo Koll. Zum Anwärter-Jubiläum griff er tief hinein in die bunte Bilderkiste der Nachrichtenagenturen und begleitete den Blaublütigen gar bei Stippvisiten zu Arbeitslosen (seine neue Stiftung) und Schoolkids (Krönchen für die Kamera gleich zweimal aufgesetzt). Keine O-Töne des Porträtierten. Nix Neues für fleißige Leser der Boulevardpresse. Zettelkasteninfos – aufbereitet mit der distanzierten Routine eines Nachrufs. Bilder aus Charles' Drill-Internat kommentierte Koll mit republikanisch gefärbter Nonchalance: „Neid auf das Leben eines Prinzen endet spätestens hier.“ Später konterkariert er Charles' Gespräch mit St. Petersburger Bauern mit dem Verweis auf „bescheiden ererbte 53.000 Hektar“.
Die fleißig und mangels Enthusiasmus recht fair gesammelten Fakten ergeben jedoch bloß das Bild einer seltsamen Medienfigur, die Slapstick-Stummfilme dreht, in St. Petersburg gegen Hochhäuser und das Geküßtwerden opponiert und sich von einem anonymen „Monarchiewissenschaftler“ nachsagen lassen muß, er sei „einfach kein Star“. Gerade die Massenmedien aber haben das anachronistische Adelsdasein erst seiner ehrwürdigen Distanz und somit des blauen Lebenssaftes beraubt. Aus Puritaner-Vorbildern wurden Staatsschauspieler einer feudal inszenierten Seifenoper. Der eigenbrötlerische Prinz spielt den Part des großbürgerlichen Narren, der makellos selbstvergessen den Untergang des Hauses Windsor erlebt.
TV-Protokollant Koll ignorierte auch, daß sich in Charles' flauem Image der britische Wandel von der elitären Kasten- zur egalitären Krisengesellschaft widerspiegelt. Charles als verirrter Mohikaner britischer Zucht und Ordnung? Für dieses blasse Secondhand-Feature alles kein Thema, sondern bloß ein bißchen Nachrichten-Sommertheater. Dieter Deul
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen