: Fünf Monate Sicherheit
■ Obdachlose: Was vom Winternotprogramm übrig blieb
Odachlosigkeit ist ein Winterthema. Aber Wohnungslose leben auch im Sommer auf der Straße. Und mit Romantik hat das bei steigenden Außentemperaturen immer noch nichts zu tun. „Wir sind doch keine Abenteurer. Das Leben auf der Platte ist verdammt anstrengend.“ Manfred* wischt diese Vorstellung mit einer ärgerlichen Bewegung vom Tisch. Wie zum Beweis geht Petra* mit tastenden Schritten am Fenster vorbei – ihr Gesicht ist zerschlagen. Jugendliche haben sie in einem Abbruchhaus überfallen, in dem sie und ihr Freund nachts Unterschlupf gefunden hatten.
Im Moment kann sie sich jedoch ein wenig sicherer fühlen – zumindest bis Ende September. Ein zwölf Quadratmeter großer Container bietet dem Paar nun Schutz und Unterschlupf. Der Containerplatz in der Hospitalstraße ( Altona) ist eine Rarität; er ist einziges Überbleibsel des Winternotprogramms für Odachlose.
„Ein bißchen Wohnen anbieten“, so beschreibt Mitarbeiter Michael Struck das Angebot. In sieben Wohncontainern leben auf dem Spielplatzgelände derzeit acht Menschen – ein Projekt, das die Kirchengemeinde St.Johannis, der 0Sozialpolitische Arbeitskreis St. Pauli und MitarbeiterInnen des Winternotprogramms realisiert haben. Vor einigen Jahren hatte die Sozialbehörde mit Hamburger Kirchengemeinden das Winterprogramm aus der Taufe gehoben – jeweils drei Wohnungslose konnten in den kalten Monaten in einem Container auf Gemeindegrundstücken übernachten. Ende April wurden die Übergangsunterkünfte wieder abgebaut – doch das Problem blieb bestehen.
„Die Straße macht dich kaputt“, erzählt Manfred, „deine Gesundheit geht nach kürzester Zeit vor den Hund.“ Manfred hat vier Jahre in einem Zelt am Övelgönner Strand gelebt. Aber dann wurden die Nächte immer unsicherer: „Einmal haben sie mir das Zelt angezündet.“ Sein Nachbar wäre bei einem ähnliche Übergriff beinah in seinem Zelt verbrannt. Im vergangenen Herbst wurde er vom Altonaer Ordnungsamt vertrieben – er schob Platte, bis er im Mai Unterkunft in der Hospitalstraße fand.
Als „niedrigschwelliges Angebot“ bezeichnen Michael Struck und seine Kollegin Susanne Bivour das Containerprojekt. Sie setzen die Einzelunterbringung durch. Schließlich stellte die Kirchengemeinde 30.000 Mark zur Verfügung, davon wird jeder Schlafplatz mit 20 Mark pro Nacht subventioniert, den Rest zahlt das Sozialamt. Das Angebot ist jedoch auf fünf Monate beschränkt, dann soll auf dem Grundstück gebaut werden.
„Wir sind auf der Suche nach einem neuen Gelände“, so Struck, aber auch die Finanzierung steht ab Oktober noch auf wackeligen Beinen. Manfred sieht sich deshalb schon nach einer Alternative um. Vielleicht wird er einen Bauwagen kaufen. Das Amt würde den Kauf mitfinanzieren – „aber wo soll ich das Ding dann hinstellen“, fragt Manfred, „die Bauwagen werden ja auch alle vertrieben.“ sako
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