: Nicht Dürer wegen Hitler einsperren
■ Warum die Rückgabe der Bremer Bilder ein zähes Ringen ist – und sich dennoch lohnt/ Ein Gespräch mit dem Bremer Osteuropa-Experten Wolfgang Eichwede vor der nächsten Verhandlungsrunde
Zum zweiten Mal trifft sich am 29. Juni die deutsch-russische Kommission, die in Bonn über die Rückgabe von Kulturgütern verhandelt – ein Unterfangen, das schon Jahre währt und noch keine Früchte erbracht hat – jedenfalls nicht die konkrete Rückführung von Bildern oder Büchern. Wolfgang Eichwede, der Leiter des Osteuropainstitutes an der Bremer Uni und zugleich Unterhändler für die deutsche Seite, fährt deshalb „mit sehr gedämpften Erwartungen“ nach Bonn: „Auf der deutschen Seite ist das Treffen wichtig um zu klären, wie es in der Sache und materiell weitergeht.“ Hintergrund für die bescheidenen Wünsche ist ein Entschluß des russischen Föderationsrates, der in der vergangenen Woche eine personelle Umbesetzung für die russischen Rückführungsgremien beschlossen hatte – und dadurch leise Unruhe weckte. Eine Umbildung geschähe zudem nicht zum ersten Mal; innerhalb der letzten drei Jahre hat sich das Gremium fast vollständig erneuert.
Mittlerweile haben Zeitungen berichtet, daß der russische Kulturminister Sidorow die Umbesetzungs-Entscheidung des Parlaments öffentlich infrage stellt, so Eichwede. „Aber vergessen Sie nicht, Kulturgüter stehen nicht ganz oben auf der politischen Tagesordnung“. Da mag jemand Jelzin geraten haben, sich mit einer schnellen Rückgabe nicht in die Nesseln setzen – zumal die Verhandlungen über den Truppenabzug aus Berlin auf russischer Seite tiefes Unverständnis ausgelöst haben, wie Eichwede weiß. „Nicht alle verstehen, warum sie uns jetzt in der Sache der Kulturgüter entgegenkommen sollen.“
Umso mehr engagiert der Historiker sich in der Sache: „Es kommt vor allem auf Verständigung heute an, 50 Jahre nach Beendigung des Krieges.“ Die trifft empfindliche Nerven. Da ist die Erinnerung an den Krieg und an die großen russischen Verluste – aber auch die Gewißheit des Sieges. „Man hört bisweilen, daß das, was mit Blut erkämpft wurde, nicht einfach zurückgegeben werden kann“, berichtet der Osteuropa-Experte und hält doch gegen diese Emotionen: „Der Stolz einer Nation kann sich auch darin zeigen, etwas abzugeben, wenn die andere Seite darum bittet.“ Dann müsse man nicht länger auf der „Eroberung“ von Kulturgütern bestehen.
Das ist eine Haltung, die die deutsche Regierung ohnehin nicht zu akzeptieren bereit ist. Dort hält man den internationalen Rechtsgrundsatz hoch, „Kunst ist keine Trophäe, Kunst soll geschützt werden“. Und setzt den Hebel beim schlechten Gewissen der russischen Kulturpfleger an: Damit war es während der letzten 50 Jahre nicht allzu weit her. Die Werke wurden nicht nur über Jahrzehnte verborgen, sondern auch schlecht behandelt. „Es geht nicht an, Dürer einzusperren, weil Hitler ein Verbrecher war. Das ist vor den Augen der ganzen Welt schlecht“, so der Historiker.
Eichwede allerdings will nicht ausschließen, daß auch die deutsche Seite abgeben müßte – und so sehen es auch die russischen Verhandlungspartner. Zwar sind die meisten der russischen Schätze schon wieder daheim – aber das sei doch vor allem den Alliierten zu verdanken. Für die Wiederbeschaffung der Kunstwerke, die auf dem internationalen Kunstmarkt gelandet sind, erwarte man Unterstützung, so die russische Position.
Wie das aussehen kann – darüber ist so kurz vor den offiziellen Verhandlungen wenig zu erfahren. Wohl aber zur Motivation Eichwedes, die ihn durch die Verhandlungen trägt: „Beide Länder haben eine einzigartige Gelegenheit, etwas gutzumachen, was im Krieg verwundet wurde. Uns betrifft das in dem Sinne, mit Eindringlichkeit zu bitten. Die deutsche Seite muß sich fragen, wie kann man zeigen, welche Bedeutung diese Verhandlungen für uns haben.
Da stellt sich Eichwede voll hinter die Bremer Kultursenatorin Trüpel – als unabhängiger Experte: „Wenn die Kulturpolitik eines Landes sich um die Pflege von Kulturgütern kümmert, ist das gut“. Auch wenn die russische Seite gerade keine Kraft finde, um über die Hürde zu springen, sei sie doch bereit zu verhandeln. Und: „Wer hier nicht verhandeln will, verbündet sich mit den russischen Nein-Sagern gegen die Veteranen, die das alles miterlebt haben.“ Ob die Bilder hinterher in Rußland oder sonstwo stehen – „vor allem die Frage der Verständigung ist doch wichtig.“ Und: „Man muß die Beute wieder zur Kunst machen.“ ede
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