: Arbeitsvermittlung: Lizenz zum Geldverdienen
■ Rund 1.200 Interessenten wollen Firmen für private Jobvermittlungen gründen / Aber auch Arbeitsämter gehen plötzlich in den Betrieben verstärkt auf Stellensuche
Berlin (taz) – Wer die offizielle Telefonnummer des Verbandes privater Arbeitsvermittler (VPA) in Grafrath bei München wählt, wird neuerdings mit einer telefonischen Ansage abgespeist: „Aufgrund von Hunderten von Anfragen müssen wir dieses Tonband einschalten ...“ Der VPA dürfte eine der erfolgreichsten berufsständischen Neugründungen sein. 1.200 Mitgliedsanwärter hätten sich gemeldet, die private Arbeitsvermittlungen eröffnen wollten, berichtete VPA-Geschäftsführer Peter Kirchl gegenüber der taz.
Auch die Landesarbeitsämter verzeichneten etwa 1.200 Anfragen zur privaten Arbeitsvermittlung, sagte Eberhard Mann, Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit (BA). Die BA wird künftig die Lizenzen für die privaten Arbeitsvermittler vergeben. Deren Zulassung gehört zum neuen Beschäftigungsförderungsgesetz, das am 8.Juli noch einmal im Bundesrat behandelt wird. Mit dem Gesetz wird privaten Unternehmern gestattet, was bisher in der Regel nur den Arbeitsämtern gestattet war: Jobsuchende zu vermitteln.
Private Vermittler kümmern sich „eher um Stellen mit relativ hohen oder speziellen Qualifikationsanforderungen und um berufserfahrene Stellenwechsler“, resümiert Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der BA. Walwei verglich die internationalen Regelungen zur öffentlichen und privaten Arbeitsvermittlung. Fazit: Eine Konkurrenz zwischen der Vermittlung durch Arbeitsämter und private Unternehmen muß nicht unbedingt gegeben sein. Öffentliche Vermittlungen bedienten eher Arbeitslose sowie Neu- und Wiedereinsteiger.
Aber auch Walwei sieht Gefahren. Er warnt davor, daß die privaten Arbeitsvermittler künftig ein Monopolwissen hüten könnten. Ein Beispiel: Firmen mit offenen Stellen wenden sich nicht mehr ans Arbeitsamt, sie schalten keine Zeitungsinserate, sie bedienen sich statt dessen der privaten Vermittlung. Die Folge: Außenstehende Jobsucher haben es schwerer, auf eigene Faust an Arbeit zu kommen. Ein weiteres Beispiel: Vermittler könnten sich auf nicht tariflich bezahlte Jobs spezialisieren. Zeitarbeitsunternehmen haben schon signalisiert, daß sie die Jobvermittlung künftig als Nebengeschäft betreiben wollen. Kein Wunder, daß die DGB-Vizevorsitzende Engelen-Kefer die mögliche „Geldschneiderei mit der Arbeitslosigkeit“ durch private Vermittlung kritisiert.
Die Voraussetzungen für eine Firmengründung sind nicht allzuhoch. Ein guter Leumund und geeignete Büroräume müssen vorhanden sein, dann kann die BA die Lizenz kaum verweigern.
Die meisten Mitgliedsanwärter beim VPA legten Wert auf eine Spezialisierung, so Geschäftsführer Kirchl. „Wer beispielsweise aus der Chemiebranche kommt, hat dort die meisten Kenntnisse wird am ehesten dort tätig werden.“ Viele der potentiellen Arbeitsvermittler kämen aus den Personalabteilungen von Firmen, viele aber auch aus dem Bereich der Weiterbildung oder aus der Unternehmensberatung. Die Vermittler müßten zu Beginn ihrer Tätigkeit erst mal bei den Arbeitgebern auf Stellensuche gehen, vermutet Kirchl, „da kommen Kosten für Reisen, für Inserate zusammen“.
In den Betrieben werden die Privatvermittler dann möglicherweise auf die Kollegen aus den Arbeitsämtern stoßen. Rechtzeitig zum Herbst sollen rund 2.000 Vermittler der Arbeitsämter freigestellt werden, um vor Ort nach Einstellungsmöglichkeiten zu fahnden. „Diese Vermittler kennen einerseits die mittelständischen Betriebe, andererseits aber auch ihre Klienten“, erklärt Mann. Gerade in Bereichen, die in der Rezession entlassen hätten, sei teilweise wieder Bedarf an Einstellungen. Einen Zusammenhang mit dem drohenden Boom bei den privaten Arbeitsvermittlern will Mann nicht herstellen. „Solche Werbeaktionen haben wir auch früher schon gemacht“. Barbara Dribbusch
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