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Unterm Strich

Wenn man das ThéÛtre du Soleil nur auf Tournee erlebt, in der Deutschlandhalle gar, dann ist zwar auch alles sehr apart und gut & schön, aber es fehlt die Sache mit dem „natural habitat“, wie diese Menschen eben sind, wenn sie ganz bei sich sind, auf diesem kleinen Hof etwas außerhalb von Paris, wo es eine große Vorhalle gibt mit Büchern, in denen man stöbert, und leckeren Fruchtkaltschalen, in denen man nicht stöbert, sondern die man ißt. Dort jedenfalls spielen sie zur Zeit ein Stück von Hélène Cixous, welches aufs merkwürdigste Aids, Auschwitz, die Exklusion des Fremden und so dies und das mit einem griechischen Drama mixt. Eine Totenstadt, in der die Toten als Bettler sich des Nachts in ihren Höhlen verkriechen. Eine junge Mutter bittet diesen grauen Chor um Vergebung, die wird ihr aber nicht gewährt, und so sieht sie nachts ihre vergifteten Kinder am Tor vorbeiziehen. Ein Diktator taucht auf, die Nacht hockt oben auf dem Zaun. Ein gutes Stück für den Sommer, man kann nur hoffen, daß es bald hierherkommt, und wir nicht immer Lope de Vega sehen müssen.

Acht Jahre nach dem Tod von Joseph Beuys wird das Pariser Centre Pompidou von heute an eine große Retro zeigen mit achtzig Skulpturen aus den Jahren 1954-85 und allerhand Zeichnungen des Secret Block for a Secret Person in Ireland, zu der Beuys durch Joyce angeregt wurde. Beuys durch Joyce, das klingt hübsch und sah auch noch gut aus. Zu sehen sein werden auch gewisse Dinge, die bislang noch in Privatbesitz sind, zum Beispiel „Doppelfond“, „Fettstuhl“, „Bett“, aber auch die „Infiltration für Konzertflügel“, die bislang schon im Musée National d' Art Moderne steht. Die meisten dieser Werke waren bislang noch nie in Frankreich zu sehen, weil man ihn dort nicht so kannte.

Das Meeresrauschen, welches jetzt monatleang am Triumphbogen in Paris zu hören war, wird demnächst verstummen. Die Klangskulptur von Bill Fontana soll nur noch bis zum 6. Juli an die Landung der Alliierten in der Normandie erinnern.

Zum 100. Jahr des Kinos wird es einen Jahrhundert-Kino-Zug geben, welcher als „Traumstadt auf Schienen, Gott sei uns doch gnädig, durch Deutschland rollen wird. Warum kann nicht eins von diesen Jubiläen mal ohne Peinlichkeitsquotient 10,5 auskommen. Immer dieser Pippikram, diese Futzeleien und Hudeleien!

Und wieder setzte es faule Eier und sogar Ohrfeigen, als man in Frankfurt am Main versuchte, die Rocky Horror Picture Show aufzuführen. Es würden Lösungsmittel auf die Bühne gespritzt, und die Rutschigkeit derselben mache eine Choreographie vollends zur Lachnummer. Warum können sie's nicht auch einfach mal endlich lassen. Aber aus Berlin sollte man dazu gar nichts sagen, wo hier schließlich schon seit Jahren Ich bin's nicht, Adolf Hitler ist's gewesen

läuft und die Leute es nicht müde werden, dorthin zu strömen.

Das kam selbst dem abgebrühten Moderator beim „großen Zapfenstreich“ nur stockend über die Lippen: „Fluggeschwader Manfred von Richthofen“ hieß der Titel, den der scheidende Richard von Weizsäcker sich persönlich zur musikalischen Untermalung der für ihn veranstalteten Zeremonie ausgesucht hatte. Ist das von Störkraft? haben wir uns hier gefragt. Jetzt suchen wir jemanden, der uns den Refrain als Motiv auf die hantelgestählten Oberarme tätowiert.

Die Parole ist duck and cover: Engelbert, Sie wissen schon, der Mann mit dem ansprechenden Äußeren, droht, zu seinem 25. Live-Jubiläum sich selbst ein Geburtstagsständchen zu singen.

Wo wir gerade bei ansprechendem Äußeren sind, jetzt aber mal ohne Quatsch: Gerade liegt hier vor der Redakteuse ein Filmstill aus einem Schwarzfilm mit Burt Lancaster, auf welchem er zu sehen ist, wie er einen

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