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Herber Schlag aus der Tasse

Frostschäden in Brasilien lassen Kaffeepreise explodieren / Niedrige Preise haben Angebot zuvor schon schrumpfen lassen / Produzenten profitieren nicht zwangsläufig von höheren Preisen  ■ Von Nicola Liebert

In Brasilien bibbert man wegen der Kälte; in den Rohkaffeebörsen setzt sich das Bibbern fort wegen der in die Höhe schnellenden Kaffeepreise. Der kälteste Winter seit zwei Jahrzehnten hat in Brasilien einen Teil der Kaffee-Ernte zerstört, wieviel genau ist noch nicht absehbar. Es könnten aber bis zu 35 Prozent der Ernte sein. Jede vierte Kaffeetasse wird mit Bohnen aus Brasilien aufgebrüht.

Auf die Wettermeldungen aus Brasilien hin wurde über das Wochenende der Kaffee auf den Rohstoffbörsen von New York und London auf einen Schlag fast 40 Prozent teurer. Seither klettern die Preise stetig weiter. Hat ein Pfund Arabica-Rohkaffee letzte Woche noch 125 Cent gekostet, sind es inzwischen bereits 170 Cent. Vor allem die Terminkontrakte ziehen an: Schon jetzt vereinbaren die Kaffeeröster die Preise für Rohkaffee, der nach der Ernte im September auf den Markt kommt. Die Händler fürchten, daß Kaffee noch teurer werden könnte, denn die Frostgefahr bleibt in Brasilien noch sechs Wochen bestehen.

Die Preisexplosion fällt in eine Zeit, in der die Kaffeepreise ohnehin deutlich angezogen haben. Im vergangenen Jahr wurde Rohkaffee noch für 60 Cent pro Pfund gehandelt, ein absoluter Tiefststand. Der Preisverfall hatte 1989 begonnen, als das internationale Rohstoffabkommen für Kaffee gescheitert war. Erst im vergangenen Jahr wurde ein neues Kartell aus der Taufe gehoben; man vereinbarte Produktionsbeschränkungen, um die Preise nicht noch mehr verfallen zu lassen.

Doch die Erholung der Kaffeepreise ist nicht so sehr dem Erfolg des Kartells zu verdanken, glaubt Hans-Georg Müller-Henniges vom Deutschen Kaffee-Verband. Vielmehr habe der über fünf Jahre andauernde Preisverfall dazu geführt, daß sich der Kaffeeanbau immer weniger lohnt. In Brasilien etwa blieben von vier Milliarden Sträuchern im Jahr 1975 nur 2,8 Milliarden übrig. Inzwischen habe sich daher eine deutliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage aufgetan, auf die die Märkte zu reagieren begonnen hätten.

Die allzu niedrigen Preiserlöse aus Kaffee haben auch dazu geführt, daß die Plantagen nicht mehr ausreichend gepflegt wurden. Gut gedüngte, gesunde Kaffeesträucher könnten durchaus etwas Frost aushalten, nicht aber Pflanzen, die von vorneherein geschwächt sind, erklärt eine Analystin an der New Yorker Rohstoffbörse.

Durch die Frostschäden habe sich jetzt eine wilde Spekulation mit Rohkaffee entwickelt. Die eigentlichen Auswirkungen werden sich aber erst nächstes Jahr zeigen, meint Müller-Henniges. Dann erst wird sich herausstellen, wie teuer das Kaffeetrinken wird. Derzeit machen die Kosten für den Rohkaffee etwa ein Viertel des Verbraucherpreises aus. Bei Tchibo rechnet man mit einem Anstieg der Verkaufspreise von zwei bis drei Mark pro Pfund, sagte Vorstandsmitglied Hasso Kaempfe.

Für einen Betrieb, dessen Produktion so unmittelbar von der Kaffeeversorgung abhängt wie bei der taz, würde dies dramatische Folgen haben: Drei Mark mehr für das Pfund Kaffee würden Mehrausgaben von 9.000 Mark jährlich ergeben. Nun ist zwar die taz nicht auf brasilianischen Kaffee angewiesen, sondern ist der Sandino- Dröhnung treu geblieben. Die wird noch eine Weile zu alten Preisen zu haben sein, erklärt Hans Haege von Ökotopia, weil man sich für dieses Jahr bereits ausreichend mit Kaffee eingedeckt habe. Doch auch alternativ gehandelter Kaffee wird teurer werden: Die Produzenten erhalten den Weltmarktpreis plus mindestens zehn Prozent.

Ob die Kaffeeproduzenten etwas von den höheren Kaffeepreisen auf den Rohstoffbörsen haben, hängt von ihrem Organisationsgrad ab, meint Haege. Kleine Produzenten, die von Zwischenhändlern abhängig sind, werden kaum höhere Erlöse erwarten können. Sein Plädoyer ist daher für alternativ gehandelten Kaffee.

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