Volksabstimmung über die Verfassung

■ Fünf Rechtsextreme und ein Grüner verhinderten einstimmige Entscheidung der Bürgerschaft

Wenn am 16. Oktober der neue Bundestag gewählt wird, dürfen die Wahlberechtigten in Bremen gleichzeitig auch noch über ein ganz lokales Thema abstimmen. Nachdem die Bürgerschaft gestern in dritter Lesung eine Reihe von Änderungen der Landesverfassung bei sechs Gegenstimmen beschlossen hat, muß diese kleine Verfassungsreform zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Das allerdings wohl zum letzten Mal, denn genau dieser Passus, der von der Bürgerschaft die Einstimmigkeit bei Verfassungsänderungen verlangt, soll aus der neuen Fassung gestrichen werden.

Als „Abschaffung der obligatorischen Mitwirkung des Volkes“ kritisierte der grüne Abgeordnete Walter Ruffler in der Debatte dieses Vorhaben und lehnte anschließend – ebenso wie die fünf Abgeordneten von DVU und Nationalkonservativer Gruppe – die Verfassungsreform ab. Im Unterschied zu den Rechtsextremen halte er die geplante Änderung allerdings nicht für „undemokratisch“ und auch nicht für eine „Manipulation des Wählerwillens“. (vgl. „Nachgefragt“, S.22).

Rufflers Ablehnung wurde insbesondere von seinem Parteifreund Hermann Kuhn scharf kritisiert. Nicht etwa der Bevölkerung, sondern „dem einzelnen Abgeordneten“, der mit seiner Nein-Stimme eine Verfassungsänderung verhindern kann, biete die bisherige Regelung „eine sehr starke Stellung“, sagte er in Rufflers Richtung.

Für die nun zwingende Volksabstimmung rechnet die Bürgerschaft mit Kosten von „bis zu einer Million Mark“. Der genaue Preis hängt von Verhandlungen mit dem Bund über die Verteilung der Kosten des Urnengangs auf Bundestagswahl und Volksabstimmung ab.

Neben der Ersetzung der Einstimmigkeit durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bürgerschaft bei Verfassungsänderungen soll in Bremen als letztem Bundesland die Möglichkeit der Selbstauflösung des Parlaments per Zwei-Drittel-Mehrheit geschaffen werden. Außerdem wird ein „Bürgerantrag“ neu eingeführt, mit dem 10.000 BremerInnen ab 16 Jahren der Bürgerschaft ein Thema zur Behandlung vorschreiben können. Die Rechte des Parlaments gegenüber dem Senat werden verbessert. Dies bezieht sich sowohl auf eine Stärkung der Ausschüsse als auch auf die künftige Direktwahl des Senatspräsidenten durch die Bürgerschaft. Und schließlich werden „vergleichbare Lebensverhältnisse in Bremen und Bremerhaven“ als Ziel in die Verfassung aufgenommen.

Der FDP-Abgeordnete Axel Adamietz erinnerte gestern daran, daß die Verfassungsreform nach der letzten Bürgerschaftswahl erst durch einen gemeinsamen Vorstoß der früheren Oppositionsparteien CDU, FDP und Grüne möglich geworden war. Nachdem sich abzuzeichnen begann, daß es keine Einstimmigkeit in der Bürgerschaft für die Verfassungsänderungen geben würde, hatte die Ampelkoalition ihrem sofortigen Inkrafttreten zugestimmt. Dies war insbesondere wegen der dann bestehenden Möglichkeit zu vorgezogenen Neuwahlen von der CDU gefordert worden. Horst Isola (SPD): „Man kann nicht eine Volksabstimmung machen und dem Volk dann die Rechte vorenthalten, für die es gerade gestimmt hat.“

Für die Verfassungsänderung ist am 16. Oktober die Beteiligung von mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten an der Volksabstimmung erforderlich. Und von ihnen wiederum muß über die Hälfte mit Ja stimmen. Ase