: Das Motto: "Monotonie ist Qualität"
■ Unternehmensgruppe Asea Brown Boveri wird noch im Herbst mit dem Bau am Potsdamer Platz beginnen / Kritiker reden von erbärmlicher und phantasieloser Architektursprache und Einfallslosigkeit
Die Unternehmensgruppen Asea Brown Boveri (ABB) und Terreno mit Roland Ernst beabsichtigen den ersten Spatenstich für ihr Bauvorhaben am Potsdamer Platz noch in diesem Herbst vorzunehmen.
Die Ursachen für den späten Baubeginn „lagen in der schwierigen Vermarktung des Büro- und Wohnkomplexes“, sagte Giesbert Dreyer (Terreno) gestern auf einer Diskussionsveranstaltung im Berlin-Pavillon. Außerdem habe die unter dem Gelände verlaufende Trasse der U-Bahn-Linie 2 komplizierte Planungen bei der Gründung der zukünftigen Häuser erfordert.
Das Fundament des halbrunden Blocks am Potsdamer Platz, erläuterte Giesbert Dreyer, könne aufgrund seines Gewichts nicht auf der Betonplatte über der U-Bahn gelagert werden. Vielmehr werde der Bau jetzt „zwischen die Tiefgaragen der anderen Gebäude regelrecht eingehängt“. Das langgestreckte Projekt zwischen der Köthener Straße und der Linkstraße soll 1997 zum großen Teil fertiggestellt sein.
Die fünf Blöcke des Bauvorhabens mit einer Bruttogeschoßfläche von 74.000 Quadratmetern, für das der Mailänder Architekt Giorgio Grassi 1993 einen Masterplan entwarf, haben auch nach der Überarbeitung sowie der Aufteilung an vier Architekturteams – Jürgen Sawade/Berlin, Diener & Diener/Bern, Peter Schweger/ Hamburg und Giorgio Grassi – wenig von der ursprünglichen Grassi- Idee verloren. Die Planung mit ihren strengen gerasterten Fassaden, den großen H-förmigen, acht- bis zwölfgeschossigen „Ganzblöcken“ und der engen Durchwegung „bildet nach wie vor die beste Grundlage zur Umsetzung der städtebaulichen Planungen für den Potsdamer Platz“, befand darum Senatsbaudirektor Hans Stimmann in der Runde.
„Unsere beiden Häuser“, sagte Grassi-Projektleiter Nardi, „lassen sich mit den einstigen Großbauten in der Friedrichstadt vergleichen.“ Eine Auflockerung der dichten Struktur sei nicht geplant.
Den Vorwurf eines Architekten aus dem Publikum, die Entwürfe widersprächen den Vorstellungen städtischer Mischung, hätten zu gleichförmige Fassaden und eine undifferenzierte blockhafte Gestalt, konterte Nardi arrogant mit der Bemerkung: „Monotonie ist Qualität.“ Großstädtische Architektur lebe nicht nur von Vielfalt, sondern ebenso von großen Monostrukturen.
Schützenhilfe für Nardi leistete Jürgen Sawade: „Wir planen für unseren Bürobau eine Grassische Lochfassade pur“, sagte der Berliner Architekt. Das Gebäude werde ein gleichförmiger Rhythmus aus Fenster- und Wandteilen bestimmen. Die einmal gefaßte Idee, wenigstens eine Glasfassade zu gestalten, wurde aus technischen Erwägungen fallengelassen. Ein wenig Willen zur Durchbrechung der Monotonie zeigten die Architekten Diener und Schweger: So will Diener mit seinem Wohnhaus aus 90 freifinanzierten Wohnungen „den Block in der Mitte aufbrechen“ und damit den steinernen Nachbarfassaden gläserne Loggien gegenüberstellen. Auch Peter Schweger versucht mit einer Zonierung der Fassaden und einem gläsernern „Oberteil“ dem langgezogenen Ensemble mit dem Kopfbau ein anderes Kleid zu verpassen.
Nicht gelten lassen wollte Falk Jaeger, Baukritiker und Hochschullehrer, diese Architektursprache am Potsdamer Platz. Statt baulicher Differenzierung für eine städtische Lebendigkeit verkörpere die Grassi-Planung eine „Architektur der toten Augen“. Die der gerasterten Fassade angepaßten „Bürozellen“, kritisierte Jaeger die Investoren und Architekten, seien nur auf die größtmögliche Ausnutzung hin entwickelt worden und wären nicht denen angepaßt, die dort tagtäglich arbeiten müßten. Das Beispiel ABB zeige erneut, daß in Berlin derzeit eine „erbärmliche und phantasielose Architektursprache und schlimme Einfallslosigkeit“ das Bauwesen dominiere. Jaeger forderte Baudirektor Hans Stimmann auf, endlich die Vielfalt der Baukunst zuzulassen. Rolf Lautenschläger
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