: Abschied von Diego
■ Die Dopingprobe bei Diego Armando Maradona nach dem Spiel gegen Nigeria war positiv, damit droht eine Sperre und das Ende der Karriere des verurteilten Koksers
Dallas/Berlin (dpa/taz) – Der Skandal begann am Mittwoch nachmittag (Ortszeit) in Dallas, kurz nachdem die argentinische Delegation in Texas angekommen war. Nachdem Gerüchte um eine positive Dopingprobe immer lauter geworden waren, ging Verbandspräsident Julio Grondona an die Öffentlichkeit: „Ja. Maradona hat ein Mittel gegen Schnupfen genommen, das Ephedrin enthielt.“ Ja, die A-Probe habe einen positiven Befund.
Derweil tummelte sich der Fußballstar munter und vergnügt unter seinen Kollegen und besichtigte den Platz im Cotton Bowl. Auch auf dem Spielbogen war er noch aufgeführt. Noch war das Ergebnis der B-Probe nicht bekannt, aber der Internationale Fußballverband (FIFA) geriet mächtig unter Zeitdruck. Vergangene Nacht (nach Redaktionsschluß) stand das letzte Vorrundenspiel gegen Bulgarien an, bis dahin mußte von der Organisations-Kommission entschieden werden. Dieser wird gemäß der weit gefaßten Doping-Regularien freie Hand gelassen, „es gibt keinen Strafenkatalog“ (FIFA- Sprecher Guido Tognoni). Die Möglichkeiten reichen von einer Suspendierung Maradonas für das Turnier über einen Drei-Punkte- Abzug bis hin zum Rauswurf des ganzen Teams. Wenn der zweite Test die A-Probe bestätigt, meinte ein FIFA-Funktionär, „gibt es kein Pardon“. Zumal Maradona als Wiederholungstäter gelten würde: In Neapel war der Kicker wegen Kokainkonsums verurteilt und 18 Monate gesperrt worden.
Dabei sollte das Spiel gegen Bulgarien für Maradona ein Rekordfest werden: Mit 22 Einsätzen bei WM-Turnieren wäre er in der Hitliste führend. Und nun? Die Ephedrin-Aktion zeugt möglicherweise mehr von sträflicher Dummheit als von bösem Willen (s.a. Kasten rechts oben). Den Ärzten der Teams wurde durch die FIFA ausführlich erklärt, daß verabreichte Mittel auf einer Liste vermerkt werden müssen. Zudem können sich alle Teilnehmer über eine eigens eingerichtete Hotline über die Verwendung von Medikamenten Rat holen. Maradona indes hatte sich aus der ärztlichen Versorgung der Mannschaft ausgeklinkt und seinen eigenen Leibarzt mit beim Turnier.
Keiner ist so bekannt und beliebt, so verfemt und umstritten wie der kleine Fußballer. Am 30. Oktober 1960 in Lanus, einem Vorort von Buenos Aires, geboren, ist er in seiner Heimat längst ein Idol, ein lebendes Denkmal. Seit fast 15 Jahren sorgt „Dieguito“ für Schlagzeilen, 1986 erlebte er als Weltmeister und Weltfußballer seine sportliche Sternstunde, fünf Jahre später den Tiefpunkt im Drogensumpf. Seine vierte WM-Teilnahme wurde im Land am Rio de la Plata schon als Wunder gefeiert. Noch gestern klagte Frankfurts neuer Trainer Jupp Heynckes: „Ich finde das alles wahnsinnig schade und tragisch. Maradona ist für mich noch vor Pelé der größte Fußballer aller Zeiten.“
Die Karriere des nun 33jährigen ist einmalig. Schon zehn Tage vor seinem 16. Geburtstag gab er sein Debüt beim Erstligisten Argentinos Juniors. Als 16jähriger durfte er erstmals das Nationaltrikot überstreifen. Mit 22 Jahren wechselte er für die Rekord-Transfersumme von fast 22 Millionen Mark von den Boca Juniors zum FC Barcelona, später mußte der SSC Neapel noch eine Million drauflegen.
Dem Aufstieg folgte der Absturz: Argentinien verlor 1990 das WM-Finale gegen Deutschland, und der Dribbelkünstler mit dem „tödlichen Paß“ machte fortan nur noch durch seine Eskapaden und Skandale von sich reden. 1990 sah er sich in Neapel einer Vaterschaftsklage wegen eines unehelichen Sohnes ausgesetzt.
Ein Jahr später ordneten die Richter Haft auf Bewährung und Geldstrafe wegen ominöser Verbindungen zu einem Callgirl- und Drogenhändlerring an. Dann kam der Bann des italienischen Verbandes: nach einem positiven Drogentest (Kokain) wurde er gesperrt. Verbittert ging er nach Argentinien zurück, wurde später sowohl beim FC Sevilla als auch bei den Newell‘s Old Boys wegen seiner Starallüren und Extravaganzen vorzeitig gefeuert.
„Ich weiß, daß mich viele Leute gern tot sehen wollen. Aber ich werde bei der Weltmeisterschaft in den USA in Topform sein“, verkündete Maradona nach dem Rausschmiß bei den Old Boys im Februar. Kurz darauf wurde sein Haus von der Polizei durchsucht, er soll mit einem Luftgewehr auf Journalisten geschossen und vier davon verletzt haben.
Nun könnte, nachdem Maradona in den ersten beiden Spielen überraschend fit gerannt war, die Karriere ganz plötzlich zu Ende sein – durch ein simples Nasenspray: Das läßt wenig Raum für eine blühende Legende. thöm
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