Ins Wasser, ins Wasser!

■ Ozeanisierend: Jacalyn Carleys "Three Works" im Theater am Halleschen Ufer

Wasser – Frauen: Ein weit gefächertes Thema, das auch nicht erst mit Scylla und Charybdis begann. Mit „Three Works“, zwei Tanzstücken und einem Video, hat sich Jacalyn Carley von der Tanzfabrik dem kühlen (?) Naß und seiner untergründigen Beziehung zur Weiblichkeit zugewandt und dabei erfreulicherweise die Männerwelt außen vorgelassen.

Kein Herz-Schmerz-Drama also über den Krieg der Geschlechter zeigt die Choreographin mit ihrem fünfköpfigen Tänzerinnenensemble im Theater am Halleschen Ufer, sondern eine oft ironische Szenerie weiblicher Ticks, die als Schwäche und Stärke zugleich erscheinen. Der erste Teil, „Bright Arrows“, fragt ganz schlicht nach der Beziehung von menschlichem Körper und dem Element Wasser.

Drei Tänzerinnen, deren schwarze Badeanzüge hochmodern und gleichzeitig seltsam altertümlich anmuten, üben sich in Trockenübungen auf der Bühne. Inspiriert von einem Zitat aus Virginia Woolfs Roman „The Wave“ – „Water pours down the runnel of my spine. Bright arrows of sensation shoot on either side“ – kraulen sie durch den leeren Raum. Mit weich fließenden Bewegungen öffnen und schließen sich die Körper, und es gelingt tatsächlich eine bühnenwirksame Umsetzung von Schwimmbewegungen, die den Schluß nahelegen: Der Mensch gehört ins Wasser. Schließlich kommen wir auch von dort, sowohl evolutionsgeschichtlich als auch anthropologisch gesehen. Der Mensch ist in Wirklichkeit ein Fisch.

Und so bleibt es bei Jacalyn Carley nicht bei den zunächst eher heiteren Badefreuden. Die leicht verlangsamten Bewegungen steigern sich, oder richtiger, sie sinken herab zu drückender Slow motion. Der Wasserdruck nimmt sozusagen zu, es geht in die Tiefe, aus den Boxen wird bedrohlich eintöniges Maschinengestampfe hörbar: ozeanische Gefühle. Leider kann man sich eher denken, worauf die Choreographin hinauswollte, als daß man es zuschauend tatsächlich erlebt. Die Reise in die Tiefe verläuft ins Leere, anstatt eine allumfassende Leere atmosphärisch auf der Bühne zu erzeugen.

Mit dem sich direkt anschließenden Video „The Miracle“ wurde das Thema Liebe, Geschlechter und so weiter dann doch nicht ganz ausgespart. Mutigerweise wurde ein Song des Kitschsängers Leonard Cohen als Begleitmusik gewählt und zu diesem kamen sich geheimnisvollerweise ein Mann und eine Frau nahe. Er still abwartend, sie durch den Raum tigernd und die rotlackierten und spitzenbehandschuhten Finger in Gitterstäbe krallend. Aber es kommt, wie es kommen muß, schließlich hat sie genug getobt und legt sich einfach zu ihm. Das ist so banal wie ein Leonard- Cohen-Song und eben trotzdem immer noch und immer wieder ein kleines Wunder.

In „Mythos“, dem letzten Teil des Abends, geht es dem weiblichen Irresein entgegen. Die Schleppen der wilhelminisch hochgeschlossenen langen Spitzenkleider verwandeln sich in Peitschen, die knallend mit Waschweib-Gesten durch den Raum geschwungen werden und zu Fischschwänzen mutieren; am Schluß hängen die Kleider nur noch in Fetzen von den Körpern herab. Darunter schimmern grünlich-fischartige Trikots und die Frauen geben mit anarchischer Lust ihren jeweiligen Ticks nach. Disziplinierung hat schließlich keine Chance. Die sich mit der Jahrhundertwende und mit Freud entwickelnde berühmte weibliche Hysterie wird hier gefeiert: Das Kranke ist gesund.

Es ist leider nicht immer eine Freude, den Tänzerinnen zuzuschauen. Verlangt werden Bewegungsabläufe und Sprünge, für die die Tänzerinnen nicht trainiert oder für die sie einfach nicht gut genug sind. Verwackelte Angestrengtheit statt beabsichtigter Anmut wirkt schlicht und wenig ergreifend – lächerlich. Michaela Schlagenwerth

„Three Works“ von Jacalyn Carley; noch bis 10.7., 21 Uhr, Theater am Halleschen Ufer, Kreuzberg.