: Aufschwung mit Bremse
■ Das Statistische Bundesamt korrigiert Wachstumsprognosen nach unten / DIW sieht Konjunktur-Skepsis bestätigt / Die Inlandsnachfrage bleibt zurück
Bonn/Berlin (dpa/taz) – Kanzler Kohl hat sich vielleicht zu früh gefreut. Die westdeutsche Industrieproduktion ist im Mai nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes saisonbereinigt um 0,7 Prozent gesunken. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte gestern mit, daß auch die Zahlen für den April deutlich zu hoch angesetzt gewesen seien. Das April-Wachstum der westdeutschen Industrie betrug danach nur knapp 1,3 Prozent statt der zunächst angegebenen 2,5 Prozent.
Den stärksten Produktionsrückgang im Mai gab es nach den vorläufigen Zahlen bei Verbrauchsgütern (minus 2,8 Prozent) und bei Investitionsgütern (minus 1,9 Prozent). Heiner Flassbeck, Konjunkturforscher beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sah in den neuen Zahlen gestern zwar „keinen fundamentalen Hinderungsgrund für den Aufschwung“. Der deutliche Rückgang der Kauflust bei den KonsumentInnen und der Investitionslust bei den Unternehmen zeige jedoch, „wie labil das Ganze ist“.
Insgesamt ging die Fertigung des verarbeitenden Gewerbes nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes um 0,8 Prozent zurück. Nur bei Grundstoffen und Produktionsgütern, bei der Elektrizitäts- und Gasversorgung und im Bauhauptgewerbe gab es noch leichte Zuwächse. Der Bergbau verringerte seine Förderung um rund vier Prozent.
Im ersten Quartal hatten nach Meinung Flassbecks eine Menge Sonderfaktoren die westdeutschen Konjunktur gestützt. Obwohl die Löhne real nicht gestiegen waren und die höhere Arbeitslosenquote die Kaufkraft der KonsumentInnen weiter verringert hatte, gaben die VerbraucherInnen im ersten Quartal rund zwei Prozent mehr für langlebige Konsumgüter aus. Das sei deutlich mehr gewesen als erwartet, sagt Flassbeck.
Auch die Unternehmen hatten wegen der niedrigen langfristigen Zinsen in den ersten Monaten mehr investiert. Doch die Sonderfaktoren fielen nun weg. Das Münchener Ifo-Institut hatte schon am Montag von ungünstigeren Trends in den Verbrauchs- und Konsumgüterindustrien und Ordereinschränkungen im Einzelhandel berichtet – auch wenn die Konjunkturerwartungen nach wie vor positiv seien.
Flassbeck meinte, der Rückschlag für die Konjunktur werde sich im zweiten und dritten Quartal deutlich zeigen, auch wenn der Export spürbar steige, gerade auch in der Autoindustrie. Die deutschen Autokonzerne würden derzeit nämlich von den Abwrackprämien für Altautos in Frankreich und Spanien profitieren, die dort zu „ungeheuren Zulassungszahlen“ für Neuwagen geführt hätten. ten
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