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Der Zugriff auf menschliche Organe

■ Die Entnahme und Übertragung von Organen soll gesetzlich geregelt werden / Hessen bringt Transplantationsgesetz in den Bundesrat ein / Die Angehörigen von potentiellen Organspendern werden künftig ...

Von Gisela Wuttke

Nicht alles, was lange währt, wird gut. Seit Justizminister Jochen Vogel (SPD) – wir schreiben das Jahr 1979 – mit seinem Entwurf für ein Transplantationsgesetz im Bundestag scheiterte und auch ein Entwurf des Bundesrates ohne Mehrheit blieb, schien eine gesetzliche Regelung für die Entnahme und Verpflanzung von Organen nicht mehr der Rede wert. Der weiteren Entwicklung der Transplantationsmedizin tat dieses keinen Abbruch. Die „Arbeitsgemeinschaft der Transplantationszentren Deutschlands“ machte aus der Not eine Tugend und füllte den rechtsfreien Raum mit einem Kodex, der die Voraussetzungen und Bedingungen der Entnahme und Übertragung von Organen einvernehmlich regelte. Dieser Kodex, der auch verhindern sollte, daß die transplantierenden Zentren ihre eigenen Konditionen zur Hausordnung erheben, bildet seither die quasi gesetzliche Grundlage, nach der in der Bundesrepublik Deutschland menschliche Organe von einem Körper zum anderen verpflanzt werden.

Schieden sich damals die Geister an der Frage, ob die Entscheidung zur Organentnahme in Form eines Widerspruchs oder in Form einer Zustimmung zu dokumentieren sei, übertrug der Kodex diese Entscheidung den Angehörigen. Sie sind es, die sich im Moment der tiefsten Trauer damit auseinanderzusetzen haben, ob eine Organentnahme im Sinne des soeben „Verstorbenen“ gewesen wäre, wenn dieser zu Lebzeiten selbstbestimmt darüber zu entscheiden gehabt hätte. Diese für die Angehörigen äußerlich sehr belastende Situation war immer wieder Anlaß, die Legitimation von Organentnahmen grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Schließlich sah sich die Politik, nach den Jahren der stillschweigenden Duldung, aufgefordert, gesetzlich zu regeln, was auf den Intensivstationen der Republik gang und gäbe ist. Ausgelöst wurde die Debatte 1992 durch eine Initiative des „Interessenverbandes der Dialysepatienten und Nierentransplantierten“, der mit einem Entwurf von sich reden machte, der die Widerspruchsregelung favorisierte. Danach sollte wie im damaligen Entwurf Vogels eine Organentnahme immer dann zulässig sein, wenn nicht ausdrücklich Widerspruch dagegen eingelegt worden war.

Gegen den Entwurf äußerte sich die Kritik, daß er mit der Unwissenheit und Faulheit der Menschen spekuliere, da er Schweigen als Zustimmung werte. Derart eingestimmt, wurde nun auch die „Arbeitsgemeinschaft der Transplantationszentren“ auf den Plan gerufen, die im Frühjahr 1991 mit einem eigenen Entwurf an die Öffentlichkeit trat, der die Suche nach einem Transplantationsgesetz durch eine weitere Variante bereicherte. Der als Informationslösung bezeichnete Entwurf verknüpft verschiedene Zustimmungsmöglichkeiten, so daß der Verdacht aufkam, daß eine Verweigerung der Organspende schon theoretisch gar nicht mehr in Betracht gezogen wurde. So soll eine Organentnahme immer dann zulässig sein, wenn eine Zustimmung vorliegt oder – sollte diese nicht gegeben sein – die Angehörigen gegen die beabsichtigte Organentnahme keinen Widerspruch einlegen. Dabei werden die Angehörigen nicht gefragt, sondern lediglich informiert. Sollten sie zu allem Unglück in einem „angemessenen Zeitraum“, wie es ganz unbestimmt heißt, nicht erreichbar sein, sieht der Entwurf vor, den gerade diensthabenden Richter oder Staatsanwalt über die Zulässigkeit entscheiden zu lassen.

Dieser Entwurf wurde zunächst von der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag aufgegriffen, die im Sommer 1992 einen Entwurf vorlegte, der dem der Arbeitsgemeinschaft bis auf das I- Tüpfelchen glich. Wenig später meldete sich auch die CDU/CSU- Bundestagsfraktion zu Wort, die sich ihrerseits für die alte Zustimmungslösung stark machte, nach der eine Organentnahme zulässig ist, wenn die Zustimmung der betroffenen Person vorliegt. Nur ersatzweise sollte es möglich sein, diese Zustimmung von den Angehörigen zu erfragen – ein Vorschlag, der ins Leere lief. Zum einen ließ die Fraktion selbst jedes Engagement für diesen Entwurf vermissen, zum anderen waren weder der Interessenverband noch die Arbeitsgemeinschaft interessiert daran, eine Regelung zu finden, die wenig geeignet schien, das vorrangige Interesse – die Transplantationsfrequenz zu erhöhen – zu sichern.

Durchgesetzt hat sich schließlich der Entwurf, den die Transplantationsmedizin sich selbst auf den Leib geschneidert hat. Die Gesundheitsminister der Länder einigten sich darauf, eine bundeseinheitliche Regelung zu finden, die der Informationslösung entsprechen sollte. Offenbar schien es der Politik überzeugend, daß gesellschaftlich alles daranzusetzen sei, um die Motivation zur Organspende zu wecken und in der Bevölkerung entstandene Ängste abzubauen. Zentrales Ziel des am kommenden Freitag auf Initiative Hessens in den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurfes ist es daher, „möglichst viele Bürgerinnen und Bürger“ dazu zu bewegen, sich für eine Organspende zu entscheiden.

Man könnte einwenden, daß ein Transplantationsgesetz den Schutz des Menschen in den Mittelpunkt zu stellen habe, und nicht, wie herauszulesen ist, die Interessen der Transplantationsmedizin. Statt dessen drängeln sich, fünfzehn Jahre nach dem Startschuß, die Länder und Landtage an die Ziellinie, um das Rennen doch noch für sich entscheiden zu können. So folgte der Ankündigung Hessens, dem Bundesrat mit Unterstützung Bremens einen Entwurf für ein Transplantationsgesetz vorzulegen, die überraschende Nachricht aus Rheinland-Pfalz, daß der Mainzer Landtag ein Gesetz verabschiedet habe, das nach der Widerspruchslösung konzipiert sei.

Das Landesrecht wird ohnehin kaum Bestand haben, da mit der anstehenden Verfassungsreform die Gesetzgebungskompetenz ohnehin in die Hände des Bundes übergeht. Der Alleingang des rheinland-pfälzischen Landtages macht allerdings deutlich, worum es in Zeiten des Wahlkampfes geht: Politik vorzutäuschen, statt politisch zu handeln.

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