: Israel reagiert gelassen auf Arafat
Der Besuch des PLO-Chefs erfüllt die Erwartungen der israelischen Regierung / Aber auch die Demonstrationen der Opposition in Jerusalem kommen nicht ganz unerwünscht ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
„In der israelischen Öffentlichkeit erfreut sich Arafat keiner Sympathien, und das mit Recht“, kommentierte die der Arbeitspartei nahestehende Tageszeitung Davar gestern den Besuch des PLO-Chefs im Gaza-Streifen. Aber die Israelis seien reif genug, um zwischen persönlichen Gefühlen und politischen Entwicklungen zu unterscheiden, heißt es weiter.
Und tatsächlich wird Arafats Besuch in Israel zumeist mit Gleichmut quittiert. Im Zuge der Abkommen von Oslo, Washington und Kairo sehen die meisten Israelis keinen Grund zu Protesten gegen Arafats Anwesenheit im Autonomiegebiet von Gaza – einem kleinen Landstreifen mit großen Problemen, den Israel lieber heute als morgen loswerden will.
In Regierungskreisen war man mit Arafats vorsichtigen Formulierungen zu Beginn seines Aufenthalts in Gaza zufrieden. Er redete vom „Frieden zwischen Mutigen“ und versprach, die Bedingungen der Abkommen mit Israel einzuhalten, obgleich, wie er freimütig zugab, diese Bedingungen keineswegs günstig für die Palästinenser sind. Arafat war in der Anfangsphase des Besuchs bemüht, dem offiziellen israelischen Standpunkt und israelischen Sensibilitäten weitmöglichst entgegenzukommen und gleichzeitig um die Gunst der Opposition in den besetzten Gebieten zu werben.
Bei Arafat ist von zukünftiger palästinensischer Staatlichkeit auch weiterhin nur allgemein- theoretisch die Rede, und solche Erklärungen lösen in Israel die Reaktion aus: Laß ihn ruhig reden; was uns nicht paßt, das können wir in der Praxis sowieso verhindern.
Weniger angetan ist man in Regierungskreisen von der Forderung Arafats, daß eine israelische Truppenverschiebung am Westufer bereits in ein bis zwei Monaten beginnen soll. Israelische Militärstellen betonen, daß ein erster Truppenrückzug aus den Zentren größerer palästinensischer Städte des besetzten Westufers nur kurz vor der Abhaltung allgemeiner Wahlen vorgesehen ist. Eine weitgehendere Umgruppierung israelischer Truppen am Westufer kommt für Israel erst nach den Wahlen in Frage. Gegenwärtig geht es nur um die Übergabe von fünf zivilen Verwaltungsressorts an die Palästinenser des Westufers. Es handelt sich dabei um Erziehung, Gesundheit, Tourismus, Sozialfürsorge und die Abteilung zur Erhebung von Steuern.
Zukunftspläne sollen während des Pariser Treffens zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin, Außenminister Schimon Peres und Arafat am Mittwoch erörtert werden. Ministerpräsident Rabin neigt dazu, es gegenwärtig bei dem Autonomieabkommen für Gaza und Jericho zu belassen und sich in absehbarer Zeit vornehmlich den Verhandlungen mit Jordanien und Syrien zu widmen.
Den lautstarken, aber zahlenmäßig zumeist nicht wirklich massiven Jerusalemer Protestdemonstrationen der rechten Oppositionsparteien und Siedler gegen „Massenmörder Arafat“ und dessen „Gastgeber“ standen außergewöhnlich große Polizeitruppen und Grenzschutzkontingente gegenüber, die auch Verhaftungen unter den Rädelsführern vornahmen. Am Samstag abend hielten die Wortführer der Rechten am Zionsplatz im Zentrum Jerusalems scharfe Reden vor Tausenden von Demonstranten, die dann in den Osten der Stadt zogen, um arabische Geschäfte und Autos zu zerstören. Das enorme Polizeiaufgebot verhinderte dabei größere Schäden.
Ein Grund für den riesigen Polizeieinsatz ist darin zu suchen, daß die Regierung nach dem Massaker in Hebron im Februar eine Wiederholung der rassistischen Ausschreitungen zu verhindern sucht. Gleichzeitig ist die Regierung auch an einem sichtbaren Oppositionsdruck interessiert, um etwas vorweisen zu können, wenn von Israel verlangt wird, am Westufer beschleunigt Schritte zu unternehmen, um auch dort eine palästinensische Selbstverwaltunbg einzuführen.Siehe Seite 11
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