: Aktionen ohne zuständige Ministerin
Nächste Woche rollt der erste Transport abgebrannter Brennelemnete nach Gorleben / Die niedersächsische Landesregierung will den Konflikt symbolisch entschärfen ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Die Vorhut griff schon mal zur Handsäge. „Unbekannte“, so der Polizeibericht, hatten in der Nacht zum Sonntag zwei Schwellen auf der Bahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg durchgesägt. Auf diesem Gleis wird der erste Transport von hochradioaktivem Abfall aus dem Atomkraftwerk Philippsburg zum Zwischenlager von Gorleben rollen.
Es gelang den Schwellensägern nicht, die Schienen zu verbiegen. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg erwartet den Transport in der nächsten Woche, ab dem 11. Juli. Der Castor-Behälter ist letzte Woche beladen worden. Für den Tag X plant die Bürgerinitiative demonstrative Aktionen.
Willkommen ist die Atomfracht auch der niedersächsischen Landesregierung nicht. Sie übt den Spagat zwischen ihrem Atom- Ausstiegsbeschluß und rechtsstaatlicher Pflicht. So wollte Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) selbst gegen den Transport der Brennelemente auf die Straße gehen. Aber „nach kurzer Diskussion“, so der Regierungssprecher, verbot das Landeskabinett der ehemaligen Greenpeacerin solchen Aktionismus: Die Teilnahme einer Ministerin an einer Protestveranstaltung trage nicht unbedingt zu einer Deeskalation des Demonstrationsgeschehens bei. Auch Monika Griefahn habe „schnell eingesehen“, daß ihre Person „zusätzliche Probleme für die Polizeikräfte“ schaffe.
Ins Wendland durfte Monika Griefahn immerhin reisen. Im Schützenhaus von Dannenberg stellte sie sich gestern abend den Fragen der Bürgerinitiative. Ein Fischer und ein Förster haben inzwischen Klage gegen den Castor- Transport beim Verwaltungsgericht Lüneburg eingereicht. Das Lager von Gorleben stehe seit zehn Jahren betriebsbereit, aber leer herum. Warum es plötzlich genutzt werden solle, sei „in keiner Weise nachvollziehbar“, argumentieren die Kläger, ein öffentliches Interesse sei nicht erkennbar.
Auch der Bericht einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des niedersächsischen Umwelt- und Innenministeriums stellt fest, „daß weite Teile der Bevölkerung in der Region Lüchow-Dannenberg die Inbetriebnahme des sogenannten Castor-Lagers ablehnen“. Doch der Betreiber habe inzwischen alle Auflagen erfüllt. Am Atomkraftwerk dürfe der Castor-Behälter beladen werden, es sei deshalb nicht möglich, die Transportgenehmigung zu versagen.
Viel ist in dem Arbeitsgruppenbericht von „Deeskalation“ die Rede. Wirklich deeskalieren will der Innenminister allerdings nur bei symbolischen Aktionen: „Behinderungen — etwa in Form von Sitzdemonstrationen – müssen dann nicht zu einem Einschreiten der Polizei führen, wenn diese Aktionsformen auch nach außen erkennbar als symbolische Handlung ausgelegt sind“, heißt es in dem Papier. Bei auf „Verhinderung der Transporte ausgelegten Blockadeaktionen“ könne allerdings „für die Polizei die Auflösung der Blockade als einzig pflichtgemäße Entscheidung in Betracht kommen“.
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