: Intimer Flußblick auf Hamburg
■ Alles spricht fürs Kanufahren bei heißen Temperaturen / Ein Tip von Kaija Kutter
Kein Geheimtip, aber auch kein Massensport. Wenn die Sonne knallt, die Straße dampft vor Staub und Ozon, gibt es in dieser Großstadt eine erfrischende Alternative zum Schwimmbad: die Bootsfahrt auf den Alsterkanälen. Gut dafür geeignet, da leicht zu handhaben: das Kanu.
Gestartet vom Bootsverleih „Wüstenberg“ am Deelbögenkamp zum Beispiel, sind es nur ein paar Paddelschläge unter der stark befahrenen Ring-2-Autobrücke hindurch bis zum „Inselkanal“. Der Anblick ist Romantik pur: Oben ein schattenspendendes Baumdach, am Ufer eine mit Gänseblümchen übersäte Wiese, auf der, Ehrenwort, tatsächlich Graugänse schnattern. Profi-Kanufahrer legen hier an und machen Picknick.
Den Anblick genossen und gewendet, zeigt sich eine Viertelpaddelstunde weiter südwärts Hamburg von seiner pikfeinen Seite. Nur hie und da ein Lokal am Wasser, in dem sich - wie am „Café Leinpfad“ - schickes Volk unter Riesensonnenschirmen an kühlem Hefeweizen (Getränk des Sommers) labt. Öffentlicher Grund am Wasser ist knapp. Die wenigen Rasenstücke, die es gibt, sind von krimilesenden Sonnenbadern bevölkert.
Kanufahrer indes haben den Krimi vor Augen: den Blick in die Intimsphäre der Reichen. Wie im Zeitraffer präsentieren sich die Gärten, schonungslos, denn wer sich mit Mauern vor den Blicken des bootsfahrenden Pöbels schützt, verbaut sich selbst die Ansicht der kühlen Wasserstraßen. Reicheleutegärten gleichen sich in einem: Fast jeder zweite hat ein rundes Gartenhäuschen mit Spitzdach. Manche sind chaotisch durchwachsen von Wildblumen und Rosenranken, andere werden benutzt, dort steht der Fernseher auf dem Gartentisch oder gebrauchte Gläser von der vorabendlichen Party. Wieder andere sind ordentlich gemäht und geharkt. Auf einem Grundstück am Leinpfadkanal steht gar „Vorsicht Selbstschußanlage - wir übernehmen keine Haftung.“
Wer genug hat von reich und groß und schick - das eigene Gehalt wird eh nie dafür reichen -, der erspare sich vielleicht den Schlenker über den Rondeelteich. Hamburg hat die meisten Millionäre, hier wohnen sie.
Etwas öffentlicher ist da schon der Wasserweg unter der backsteineren Krugkoppelbrücke hindurch auf die große Außenalster. Das Klicken der Segelmasten im Wind vor „Bobby Reich“ ist gratis, die Mittelmeerathmosphäre auch. Ein Stück zurück Richtung Rondeelteich, dann scharf links in den Goldbekkanal ,und der Spuk mit der Grundstücksverschwendung hat bald ein Ende. Hinter dem Goldbekhaus haben gar Kleingärtner das Ufer ergattert, stellen ihre ehrgeizigen Apfelbaumzüchtungen den Wasserausflüglern zur Schau. Kleiner Höhepunkt der Tour ist der Abstecher in den Stadtparksee. Nur eine dünne Mauer trennt hier die Paddler von den Besuchern des Naturschwimmbades.
Fast verlassen wirkt der Kanal im weiteren Verlauf am alten Güterbahnhof Barmbek vorbei unter der Saarlandstraße und dem Wiesendamm hindurch. Alte Industriehallen halb verdeckt von dunkelgrünem Pappellaub. Vom angrenzenden Osterbekkanal gelingt gar ein Blick in die Keller der Kampnagelhallen. Hätte man sein Kanu beim Bootsverleih „Dornheim“ gemietet, so wäre man hier am Ziel. So aber liegen noch zwei Paddelstunden vor uns: zurück übers Rondeel zum Lattenkamp. Eine Abkürzung durch den Stadtpark haben unsere Vorfahren leider nicht gebaut.
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