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Vom Mannesmann-Zuchtmeister zum Fall Dieter

■ Auf ihrer außerordentlichen Sitzung beschlossen Aufsichtsräte eine Sonderprüfung

Berlin (taz) – „Mannesmänner“ reiten Steckenpferde, so lautet der Titel einer Serie in der monatlich erscheinenden Werksillustrierten des Düsseldorfer Technologiekonzerns. Für die nächste Nummer können die Öffentlichkeitsarbeiter nun ein Portrait von ihrem scheidenden Vorstandsvorsitzenden Werner H. Dieter in Auftrag geben. Der glatzköpfige Manager pflegt nämlich ein ganz besonderes Hobby: Er macht am liebsten Geschäfte mit sich selbst. Als Mannesmann-Chef soll er sein Vorstandsamt dazu benutzt haben, die Hydac-Gruppe, an der seine Familie mehrheitlich beteiligt ist, mit Milliarden-Aufträgen zu überhöhten Preisen zu versorgen und damit Millionen in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Mannesmann (Umsatz: 27,96 Mrd. DM, 127.000 Beschäftigte) dürfte dadurch ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sein. Die pikanten Geschäftsbeziehungen haben nicht nur die Staatsanwälte aufgebracht, die seit einigen Tagen gegen Dieter wegen Untreue ermitteln. Seit der gestrigen außerordentlichen Aufsichtratssitzung ist der Konzernboß auch seinen Traumjob los: Er wird auf der Hauptversammlung am Freitag nicht wie geplant an die Aufsichtsratsspitze aufrücken.

Offensichtlich wollten sich die Aufseher des immerhin zwölftgrößten deutschen Industriekonzerns die Ungemach ersparen, die ihnen durch den jüngsten Fall von Selbstbedienung in der Chefetage droht. Schließlich bedurfte es erst einer Pressekampagne, bis die Aufsichtsräte reagierten und der Doppelrolle Dieters nachgingen. Nachdem eine erneute Überprüfung der Konzern-Revisionsberichte keine belastenden Punkte ergeben hatte, soll nun eine Sonderprüfung durch externe Wirtschaftsprüfer die Rechtschaffenheit des Vorstandschefs unter Beweis stellen. Dieter, der den früheren Röhrenspezialisten ohne Rücksicht auf Verluste zum international agierenden Manschinenbau-, Zulieferer- und Mobilfunkunternehmen ummodelte und seitdem als Despot verschrien ist, weist indes alle Vorwürfe entschieden zurück. „Wenn Sie die Details überprüfen, stellen Sie fest, daß überhaupt nichts dahinter ist.“ Doch die ersehnte Unbedenklichkeitsbescheinigung ist noch lange nicht in Sicht, weshalb die Mannesmann-Kontrolleure auch die Entlastung des Konzernchefs vorsorglich bis zur Hauptversammlung im nächsten Jahr aufgeschoben haben.

Gerade als wolle es die Regie so, sind wie bei jedem ordentlichen Wirtschaftsskandal der letzten Zeit wieder einmal die Herren von der Deutschen Bank mit dabei. Oberkontrolleur Friedrich Wilhelm Christians, pensionierter Vorstand, und sein Nachfolger Hilmar Kopper fürchten sich um das ohnehin durch die Schneider- und Balsam/Procedo-Pleiten ramponierte Image des noblen Geldhauses. Leichtgläubig wie immer, waren sie auch bei Dieters gut getarnten Privatgeschäften ahnungslos. In sichtlicher Erklärungsnot setzen sie nun auf die bestellten Prüfberichte – natürlich erst, seit es keinen anderen Ausweg mehr gibt. Erwin Single

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