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Lohnverzicht für die Kolleginnen

■ In Guben retten Erzieherinnen durch Gehaltsverzicht etwa zwanzig Arbeitsplätze

Berlin (taz) – Im Städtchen Guben in Brandenburg sieht der Arbeitsmarkt so mies aus wie überall im Osten. Im öffentlichen Dienst und da vor allem in den Kindertagesstätten gibt es rein rechnerisch zu viele Erzieherinnen. Diesen Angestellten steht jetzt eine im öffentlichen Dienst neuartige tarifliche Regelung ins Haus. Die Arbeitszeit der zweihundert Erzieherinnen soll von 40 auf 36 Wochenstunden verkürzt werden. Durch die Einsparung werden die Jobs gesichert.

„Solche Pilotabschlüsse könnten Schule machen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der ÖTV Brandenburg, Ottmar Hinz, zufrieden. Nacn Angaben der Gewerkschaft beinhaltet der Tarifvertrag mit der Gubener Stadtverwaltung einen moderaten Teillohnausgleich: In der Vergütungsgruppen bis 3.000 Mark brutto erhalten Erzieherinnen 15 Prozent des gekürzten Gehalts zurück. Für jedes Kind werden rund 25 Mark monatlich als „soziale Komponente“ draufgelegt. Im Klartext: Wer etwa 2.000 Mark netto im Monat verdient und ein Kind hat, muß nach dem neuen Tarifvertrag auf rund 160 Mark im Monat verzichten. Im Solidarakt der 200 Erzieherinnen werden damit rechnerisch etwa 20 Jobs gerettet.

„Die schwierigste Aufgabe liegt darin, Kolleginnen, die nicht von Kündigung bedroht sind, für solidarisches Handeln zu gewinnen“, meint Ottmar Hinz. Denn Angestellte im Alter zwischen vierzig und fünfzig Jahren, durch die Sozialauswahl weniger von Kündigung betroffen, unterstützen durch den Solidartarifvertrag jüngere, die im Ernstfall als erste gehen müßten.

Die Gubener Einigung könnte beispielhaft sein für die tarifliche Sicherung von Jobs im öffentlichen Dienst in den neuen Bundesländern. Dort droht der Abbau von Zehntausenden von Stellen: Nach Angaben der ÖTV sind allein in Brandenburgs Kommunalverwaltungen ein Drittel der rund 95.000 Arbeitsplätze gefährdet. Auch in Thüringen soll in den Kommunen etwa jede zehnte Stelle eingespart werden. Um möglichst viele Jobs zu retten, gibt es zum solidarischen Gehaltsverzicht „eigentlich keine Alternative“, so Hinz.

Aber auf wieviel Geld wollen und können Beschäftigte verzichten, um die Jobs von KollegInnen zu sichern? Im überregionalen Tarifabschluß der ÖTV vom März wurde zwar für die Ost-Länder eine Öffnungsklausel vereinbart, nach der die Arbeitszeit um bis zu acht Stunden reduziert werden kann. Die Höhe des Teillohnausgleiches aber sollte durch Verhandlungen in den einzelnen Bundesländern geregelt werden.

„Alleinerziehende oder Mütter mit einem arbeitslosen Ehemann können nicht auf 20 Prozent ihres Gehaltes verzichten“, warnt Thüringens ÖTV-Sprecherin, Annett Weller. Vielerorts reicht eine Arbeitszeitverkürzung um zehn Prozent längst nicht aus, um Jobs zu sichern. Bei Reduzierungen um 20 Prozent aber kann die Gehaltseinbuße happig werden. Die ÖTV möchte bei 20prozentiger Verkürzung daher einen Lohnausgleich von 50 Prozent festschreiben. Flächendeckende Einigungen gab es jedoch bislang weder in Brandenburg noch in Thüringen. „Örtliche Haustarifverträge“ wie in Guben sollen jetzt die starren Fronten lockern. Aber das Prinzip funktioniert nur, wenn möglichst viele mitmachen. „Wir legen Wert darauf, daß die Arbeitszeitverkürzungen auch für Beschäftigte auf höheren Ebenen gelten“, betont Hinz. Denn obwohl zum Beispiel Amtsleiter noch am ehesten auf ein bißchen Gehalt verzichten könnten, sträuben sich diese Führungskräfte. „Da heißt es: Wir können nicht reduzieren, das geht von der Arbeit her nicht“, sagt Hinz.

In Brandenburg sind die Voraussetzungen für einen akzeptablen Teillohnausgleich dabei vergleichsweise günstig. Denn hier beteiligt sich die Landeskasse mit 50 Millionen Mark an den Kosten der Kommunen. Im Sinne der Allgemeinheit: Zwanzig erwerbslose Erzieherinnen würden die Kassen der Bundesanstalt für Arbeit mit einem Mehrfachen der Kosten belasten, die die Gubener Stadtverwaltung und das Land jetzt für den Teillohnausgleich bezahlen müssen. Barbara Dribbusch

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