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Rote Karte statt roter Teppich

■ Menschenrechtsproteste veranlassen Li Peng zum Abbruch seiner Visiten in Berlin und Weimar

Berlin (taz) – Der chinesische Ministerpräsident Li Peng reagiert äußerst sensibel, wenn er auf das Thema Menschenrechte angesprochen wird. Was Kohl und Kinkel nicht schafften, gelang vor dem Brandenburger Tor in Berlin und vor dem Goethehaus in Weimar ein paar hundert Demonstranten. Der Verantwortliche für die Massaker am Tiananmen-Platz zeigte Nerven und flüchtete. Von Weimar reiste er früher als geplant nach München weiter, sagte aber den vorgesehenen Besuch im Münchner Rathaus ab. In Weimar fühlte sich Li unter anderem durch Pfiffe während seines Besuchs im Goethehaus gestört und verlangte die Räumung des Vorplatzes von den Demonstranten.

Dem entsprach die thüringische Landesregierung nicht. Li brach das Besuchsprogramm ab und verzichtete auf ein Essen mit Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) und Vertretern der Wirtschaft. Den Besuch im Münchner Rathaus hatte er abgesagt, weil Bürgermeister Christian Ude (SPD) angekündigt hatte, ihn bei der Eintragung ins Goldene Buch auf die Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik anzusprechen.

Eigentlich wollte der Staatsgast den gestrigen fünften Tag seiner Deutschlandreise in Berlin mit einem Spaziergang durch das Brandenburger Tor beginnen. Doch entschloß er sich kurzfristig, den auf ihn bereits wartenden Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zu versetzen. Denn an dem Wahrzeichen der deutschen Einheit warteten bereits 200 Demonstranten auf den Mann, der 1989 die chinesische Demokratiebewegung niedergeschlagen hatte.

In Berlin war es bereits am Mittwoch abend bei einem offiziellen Essen im Schloß Charlottenburg zu einem Eklat gekommen. Die stellvertretende Bürgermeisterin Christine Bergmann (SPD) hatte Li gesagt: „Jedes System, das seine Kritiker ausgrenzt und einsperrt, ist zum Scheitern verurteilt.“ Das könne sie aus eigener 40jähriger Anschauung der DDR gut beurteilen. Bergmann berichtete, Li Peng habe darauf erklärt, zunächst gehe es darum, daß alle Menschen genug zu essen bekämen. Außerdem hätten die chinesischen Arbeiter viele Mitspracherechte. Als die Bürgermeisterin unterstrich, er solle nicht aus der Ruhe in der Fabriken schließen, die Menschen seien mit seiner Politik einverstanden, soll Li Peng abrupt aufgestanden sein.

Für den empfindlichen Staatsgast aus dem Reich der Mitte hatte Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen ganz besondere Zurückhaltung geübt. Bei dessen Eintragung in das Goldene Buch Berlins am Mittwoch verzichtete Diepgen auf eine Passage seiner Rede: „Ohne die Freiheit des Willens und der Meinung kann es auch keine Freiheit des Marktes geben“, wollte der CDU-Politiker sagen, ließ es aber bleiben. Diepgen steigerte seine Rücksichtnahme noch: Gestern morgen am Brandenburger Tor veranlaßte er die vor Ort aufgezogene Polizei, den Demonstranten zwei Transparente und ein Megaphon zu entreißen. Diepgens Vorgehen wurde von Bundespräsident Roman Herzog indirekt gedeckt: „Ich halte es nicht für gut, einen Staatsgast auf diese Weise zu behandeln“, meldete sich Herzog zu Wort. Die Menschenrechtsprobleme seien schon in den Gesprächen in Bonn Li Peng gegenüber angesprochen worden. Dirk Wildt

Seiten 3 und 10

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