: Hausordnung für die Neue Wache gefordert
■ Mit Kranz für die „Deutschen Mörder“ in Neuer Wache gegen Gleichsetzung von Opfern und Tätern polemisiert
Gestern mittag in der Neuen Wache: Mit andachtsvoller Miene legten mehrere Menschen zu Füßen der „Pieta“ von Käthe Kollwitz einen Kranz nieder. Doch von frischem Blumenduft und prächtigem Spruchband keine Spur. Der Kranz war aus braunem Reisig und nadellosen Tannenzweigen gebunden. Ein alter Kienapfel war der einzige Schmuck. Umwickelt war das trockene Gestrüpp mit einem zerrissenen Bettlaken. „Ein Kranz den Deutschen Mördern, den Hitlers und Eichmännern“, stand auf einem Flugblatt.
Mit dieser polemischen Aktion protestierten gestern 20 Männer und Frauen unterschiedlicher Herkunft dagegen, daß in der Zentralen Gedenkstätte Opfer und Täter gleichgesetzt werden. Zur Erinnerung: Nachdem sie in der DDR Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus war, war die Neue Wache im vergangenen November von Bundeskanzler Kohl gegen den Widerstand vieler Menschen offiziell zu einer Zentralen Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft umfunktioniert worden. Die Geschichtsklitterung der Bundesregierung, im Tod seien alle gleich, egal wer, wie, wo und durch wen ums Leben gekommen ist, versuchten die zwanzig Demonstranten gestern mit ihrer Kranzniederlegung auf die Spitze zu treiben. Dann seien auch der bei der Bombardierung Berlins durch die Alliierten ums Leben gekommene Vorsitzende Richter des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, oder der beim „Aufklärungsflug an die Ostfront“ abgeschossene General der Waffen-SS, Theodor Eicke, Opfer, argumentierten sie.
Ausschlaggebend für die Aktion war, daß die rechtsextremen „Republikaner“ kürzlich gewagt hatten, einen Kranz für die Toten des 17. Juni 1953 in der Neuen Wache niederzulegen.
Der Direktor des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stötzl, unter dessen Dienstaufsicht die Neue Wache gestellt ist, war gestern zufällig in der Nähe, als die ungewöhnliche Kranzniederlegung erfolgte. Er versuchte die Demonstranten eine Stunde lang davon zu überzeugen, daß die Neue Wache ein Ort der Stille und des Gedenkens sei und kein Raum für politische Proteste. Auf den Kranz der Reps hingewiesen, gab er zu, auch dieser habe nichts in der Neuen Wache verloren. Er habe aber erst Tage später davon erfahren, das Gebinde dann aber sofort entfernen lassen. Damit sich so etwas nicht wiederhole, habe er das Bundesinnenministerium ersucht, eine Hausordnung für die Neue Wache zu erlassen, damit politische Willensbekundungen jeglicher Art in der Gedenkstätte in Zukunft unterblieben. Plutonia Plarre
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