: Talfahrt vom Wirtschaftsgipfel
Dollar erreicht neuen Tiefststand, nachdem die G-7-Staatschefs nicht mal warme Worte für die US-Währung gefunden hatten / Die deutsche Wirtschaft nimmt's gelassen ■ Von Nicola Liebert
Berlin (taz) – Gute Nachrichten für alle, die ihren Urlaub in den USA verbringen wollen: Gestern sackte der US-Dollar um mehr als zwei Pfennig auf 1,5495; gegenüber dem Yen erreichte er das Rekordtief von 98,55 Yen. Der Dollar hat damit binnen einem Monat über 10 Pfennig an Wert verloren.
Schuld an dem erneuten Kursrutsch sind die Staatschefs der sieben Industrienationen, die von ihrem Gipfeltreffen in Neapel auseinandergingen, ohne für den Dollar auch nur warme Worte gefunden zu haben. Große Taten hatten die Devisenhändler zwar nicht erwartet. Sie hatten aber zumindest auf verbale Signale gehofft, daß die Politiker die US-Währung nicht ins Bodenlose fallen lassen wollen.
Aber ganz im Gegenteil: Nach seinem ersten Gespräch mit dem neuen japanischen Premier Tomiichi Murayama erklärte US-Präsident Bill Clinton am Freitag: „Es wäre ein Fehler, wenn die G-7-Mitglieder die Richtung ihrer Wirtschaftspolitik ändern würden, um den Dollarfall aufzuhalten.“ Damit war allen Beteiligten klar, daß während des Gipfels die Stützung des Dollar kein Thema sein würde. Der Dollar verlor noch am Freitag gut einen Pfennig.
Da half es gestern auch nichts, daß Clinton in Bonn beschwichtigte, seine Regierung wolle keineswegs den Dollar als Handelsinstrument einsetzen. Denn genau das glauben ihm die Devisenspekulanten nicht. „Der Dollar reagiert einfach auf die grundlegende Tatsache, daß die USA ein riesiges Handelsbilanzdefizit mit Japan haben“, erklärt der US-Ökonom Martin Feldstein. Je niedriger der Dollar, desto besser die Exportchancen der USA nach Japan. Und umgekehrt: die japanischen Importe in die USA werden teurer und daher weniger.
Verschärfend kamen immer neue Inflationsängste in den USA hinzu. Nur durch höhere Zinsen könnte diese Angst gedämpft und der Dollar wieder attraktiver gemacht werden. In Clintons Interesse kann das jedoch nicht liegen, denn für die Konjunktur wären höhere Zinsen Gift. Auch das wissen die Finanzgurus, und deshalb erwarten sie zunächst einmal keine derartigen Schritte. Folge: Der Dollar wird weiter sinken.
Nicht nur die US-Amerikaner haben eigentlich kein Interesse an einer Stützung des Dollars. Auch die deutsche Wirtschaft nimmt die Entwicklungen gelassen. Die Tourismusbranche freut sich, nur für die exportabhängigen Branchen – Autos, Chemie und Maschinen – ist die im Vergleich zum Dollar immer teurere D-Mark ein Problem. Aber Pessimismus kam gestern nicht auf. Ohnehin gehen fast zwei Drittel der deutschen Ausfuhren in die EU, und für die spielt der Dollarkurs keine Rolle. Durch die starke Mark werden zudem Rohstoffimporte preiswerter, was die Produktionskosten hierzulande senkt.
Außerdem legt der Yen noch stärker als die Mark an Wert zu, und dadurch schneiden deutsche Firmen in den boomenden südostasiatischen Ländern im Vergleich zu Japan besser ab.
Und schließlich kann man nun damit rechnen, daß die Bundesbank die Zinsen weiter zurückschraubt, denn die günstigen Importpreise vermindern den Inflationsdruck. Auf der Frankfurter Börse spiegelte sich diese positive Beurteilung in steigenden Kursen: Der Deutsche Aktienindex legte um fast 15 auf 2.065 Punkte zu.
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