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Haitis Militärs können ruhig schlafen

■ Eine schnelle internationale Militärintervention ist nicht abzusehen / Der Somalia-Schatten lastet auf den UNO-Planspielen / Die Alternative eines US-Alleingangs steht bisher nur auf dem Papier

Washington (wps/taz) – Es war ein trauriger Abschied. „Unsere Abreise wird ein Vakuum hinterlassen“, sagte Coliun Granderson, Leiter des jetzt aus Haiti ausgewiesenen zivilen Beobachterteams der Vereinten Nationen. „Niemand wird mehr das Ausmaß der Repression auf Haiti bezeugen können.“ Während der Diplomat aus Trinidad in der Hauptstadt Port- au-Prince seine Abschiedsworte vor der für gestern abend angesetzten Ausreise sprach, berichteten haitianische Medien über den Fund von zwölf Leichen in einem Küstendorf westlich der Hauptstadt – von Soldaten erschossene Bootsflüchtlinge.

Über zwanzigmal haben die UNO-Beobachter seit ihrer Ankunft in Haiti im Januar Berichte über die Terrorherrschaft jener Militärclique geliefert, die seit dem Putsch gegen den gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide im September 1991 den Karibikstaat beherrscht und trotz UNO-Sanktionen keine Anstalten macht, die Macht zurückzugeben. Man könnte meinen, der Raussschmiß der UN-Mitarbeiter würde den Druck auf USA und UNO verstärken, mit einer Militärintervention die Putschisten zu entmachten. Doch nach Ansicht von Beobachtern scheren sich Haitis Militärs darum nicht mehr. „Sie glauben, daß ihre Handlungen keinen Einfluß darauf haben, ob es eine Invasion gibt oder nicht“, sagt ein Diplomat. Haitis Machthaber seien sich sicher, daß US-Präsident Bill Clinton sich allein von innenpolitischen Erwägungen leiten ließe, und daß innenpolitisch keine Unterstützung für ein spektakuläres Eingreifen bestünde – eine Ansicht, die auch in den USA geteilt wird. Mehr als die Zustände auf Haiti sei es die Flucht von 18.000 Haitianern in den letzten vier Wochen, die Washingtons Nachdenken über Haiti bestimme.

Die Ergebnisse dieses Nachdenkens bestätigen diese Analyse. Im US-Außenministerium wird jetzt erklärt, man hoffe, die Ausweisung der UNO-Beobachter würde mehr karibische Regierungen dazu bringen, dem US-Wunsch nach Internierungslagern für von den USA abgewiesene Haiti-Flüchtlinge doch noch nachzukommen – bisher haben Dominica, Antigua und die britischen Turks-and-Caicos- Inseln solche Lager zugesagt, während vor allem Panama und Grenada noch zurückhaltend sind. Ferner hoffe man, heißt es, auf Truppenzusagen für eine UNO- Militärmission.

Damit wird deutlich, wie weit entfernt eine Haiti-Intervention noch ist. Die UNO hat nämlich noch nicht genau definiert, was eine UNO-Truppe in Haiti machen sollte. Bisherige Planspiele setzen darauf, daß die Rückkehr Aristides auf dem Verhandlungswege zustande kommt und daß UNO-Soldaten danach für Stabilität sorgen. Doch diese ungefährliche Variante wird immer unwahrscheinlicher. Eine UNO-Friedensmission müßte vermutlich mit einer gewaltsamen Militäraktion beginnen – und dafür gibt es weder konkrete Planungen noch Truppenzusagen. Die bisherigen Zusagen von 13 Ländern an die UNO, die sich auf insgesamt 3.000 bis 5.000 Soldaten addieren, wurden unter dem Eindruck einer friedlichen UNO-Aktion gemacht.

So gewinnt man in Washington langsam die Einsicht, daß eine Militäraktion, wie sie zur Zeit angedeutet wird, zunächst von den USA alleine getragen werden müßte, wie Ende 1992 in Somalia – und davor wiederum schreckt die US-Regierung zurück, vor allem Verteidigungsminister William Perry. Die Sprachregelung in Washington lautet, Haiti sei ein internationales Problem, das international gelöst werden müsse. In Diskussionspapieren des US-Verteidigungsministeriums wird für den Fall eines Eingreifens jedoch unter dem Eindruck des UNO-Fiaskos in Somalia dringend eine „weniger bürokratische und effizientere“ US-geführte Operation gefordert. US-Militärplaner sagten am Montag im UNO-Hauptquartier, man wünsche sich eine Operation unter US-Kommando, aber mit UNO- Mandat.

Abgesehen von der geringen innenpolitischen Akzeptanz für einen US-Alleingang wären vor einem US-Einmarsch in Haiti diplomatische Hürden zu überwinden. Zunächst muß die in der Karibik verbreitete Skepsis gegenüber US- Soldaten – man erinnere sich an Grenada 1983 – besänftigt werden, was nur geht, wenn die karibischen Länder doch noch überzeugt werden, an einer Invasion teilzunehmen. Ferner könnte es Probleme im UNO-Sicherheitsrat geben: Russische Diplomaten haben gedroht, einer US-Operation in Haiti die Unterstützung zu verweigern, sollte sich die UNO weiterhin gegen russische Alleingänge in Georgien stellen. D.J.

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