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Verdichtete Frage des Monats

■ Händels Oratorium „Der Messias“ im kühlen Michel

Das Kirchenthema des Monats „Ist der Mensch gut - schlecht?“ prangt über dem Altar des Michel. Versuchten wir diese Frage zu klären, bestimmten wir vorerst die Begriffe und versuchten, sie dem Menschen zuzuordnen, dessen Sehnen sie zurückwirft auf uns. Wir streiften bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage sicher die Musik und befänden froh: Ja, doch der Mensch ist gut.

Im Publikum, das gestern über zwei Stunden dem Messias von Händel folgte, verdichtete sich dieser Eindruck. Der Monteverdi-Chor Hamburg und die Camerata Accademica interpretierten das Oratorium von Händel unter der Leitung von Gothart Stier, der den erkrankten Jürgen Jürgens ersetzte, in präzise vorgetragener Schlichtheit. Die Solisten Emma Kirkby (Sopran) und Counter-Tenor David Cordier in der Altus-Besetzung bestachen mit schnörkelloser Klasse. Der Chor beschließt den Weg des Messias am Ende des zweiten Teils im feierlichen Halleluja, aus dessen beeindruckendem Umfang und seiner Endgültigkeit sich der Sopran mit der Arie der Anbetung Gottes durch die Stimme Emma Kirkbys glockenklar löst und doch wieder aufschwingt zum dritten Teil des Oratoriums, der die Auferstehung und Erlösung mit dem Amen des Chors beschließt.

Der Balkon des Michel schien Chor und Orchester wie auf einer Engelsschwinge zu tragen, und die Menschen lösten sich in den kühlenden Kirchenmauern von der Hitze des Tages. Hätte der Lichtmeister der einbrechenden Dämmerung ihren Lauf gelassen und nicht versucht, mit irdischem Licht dazwischenzufunken, wären wohl alle wohl noch ein wenig länger geblieben, sich dem Thema des Monats zu widmen. Elsa Freese

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