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Elb-Gottesdienst in der Handelskammer

■ Eine Expertenanhörung in der Handelskammer zum Thema Unterelbvertiefung verkommt zum Bagger-Glaubensbekenntnis / Chance zum Dialog glatt verpaßt Von Florian Marten

„Wir können Deutschland nicht wieder in einen Froschteich verwandeln!“ Professor Harald Jürgensen machte schließlich auch dem letzten Zweifler klar, wo der Hase im Pfeffer liegt. Geladen hatte die Hamburger Handelskammer am Mittwochabend zu einem Thema von beachtlichem Gewicht: Bei der Expertenanhörung „Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe“ ging es um 250 bis 500 Subventions-Millionen Mark, die Zukunft Hamburgs und der Unterelbe sowie die Reputation der Handelskammer in Sachen Dialogfähigkeit.

Im gut gekühlten Albert-Schäfer-Saal der Kammer kämpften sieben Propheten des Weltuntergangs vor 150 Zuhörern hitzig gegen einen einzigen Kritiker – Helmut Deecke, Wissenschaftler der TU Harburg und Hafenberater der Grünen. Den religiösen Rahmen steckte gleich zu Beginn Jürgensen, ein Volkswirtschaftler der 60er-Jahre-Schule, der den Kanon von Wachstum, weltwirtschaftlicher Arbeitsteilung, Containerboom und Elbausbaggerung in Bugs-Bunny-Tempo vermanschte. Seine frohe Botschaft: „Wir müssen mit den Transportkosten nach den Produktionskosten werfen. Noch jedes Verkehrsprojekt war bei seiner Einweihung zu klein.“

Die Gläubigen im Saal strahlten. Das vom klammheimlichen Hafensenator Heinz Giszas (offiziell „bloß“ Chef des Amtes Strom- und Hafenbau) mit feinfühliger Hand zusammengestellte Podium durfte anschließend die zwanghafte Notwendigkeit des 250-Millionen-Projekts einer Elbvertiefung Ende der 90er von allen Seiten beleuchten. Wir erfuhren: „Das Schicksal einer ganzen Region hängt davon ab.“ (Hafenlobbyist Hans Körs). „Ich kann kein stichhaltiges Argument gegen die Notwendigkeit finden.“ (ÖTV-Chef Rolf Fritsch). „Alles bricht zusammen, wenn Hamburg keinen Hafen mehr hat.“ (Kammer-Verkehrsspezi Hans-Jürgen Merl). „Wir müssen uns die Elbe gefügig machen, das Schicksal einer ganzen Region hängt davon ab.“ (Spediteur Walter Stork).

Dirigent Giszas dagegen beschränkt sich aufs Folienauflegen und den dezenten Hinweis, „Wir geben sechs Millionen Mark für in dieser Form einmalige Umweltverträglichkeitsuntersuchungen aus“. Noch Fragen? Richtig: Da war ja noch Helmuth Deecke. Er durfte auf die Mängel in der Kosten-Nutzen-Rechnung, die Fragwürdigkeit immer neuer Transportsubventionen und ungeklärte ökologische Fragen hinweisen – hatte beim Spiel 1 gegen 7 allerdings nie die Chance, einen echten Dialog über die Kernfragen des Projekts in Gang zu setzen.

Dabei hatte die Kammer in ihrer Einladung auf die wachsende Kritik von „Teilen der Öffentlichkeit“ hingewiesen, in der „interessanterweise verstärkt der wirtschaftliche Bedarf und der volkswirtschaftliche Nutzen der Fahrrinnenanpassung diskutiert werden“ und versprochen: „Die Wirtschaft muß sich der Diskussion stellen mit dem Ziel, zu ihrer Versachlichung beizutragen.“ Das gelang dem „Expertenteam“ am Mittwoch freilich noch weniger als Bertis Buben das Fußballspielen. Schade: Mit einem echten Streit verschiedener Anschauungen hätte die Kammer Zeichen setzen können, so blieb es bei altbekannter Lobby-Polemik.

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