: Nervenkrieg um Haiti geht weiter
■ US-Manöver – aber eine Intervention steht nicht bevor
Washington/Port-au-Prince (dpa) – Die USA senden verstärkt Signale an die Militärmachthaber in Haiti, daß sie notfalls zu einer militärischen Intervention bereit sind. Mehrere hundert US-Marineinfanteristen übten auf einer Bahama-Insel Landemanöver. Begründet wurde die Aktion mit einer möglichen Evakuierung der US-Bürger auf Haiti.
Auch verbal wurde weiter mit einer Intervention gedroht, wobei die Drohung aber nach wie vor nicht näher ausgeführt wird. Der Haiti-Beauftragte von Präsident Bill Clinton, William Gray, sagte am späten Mittwochabend in einem Fernsehinterview, daß eine militärische Aktion „nicht unmittelbar“ bevorstehe. Die USA seien aber weiter entschlossen, in Zusammenarbeit mit anderen Staaten der Region und den UN „diese Militärcoup-Diktatur zu beenden und die Demokratie (in Haiti) wiederherzustellen“. US-Präsident Bill Clinton hatte zuvor die Militärmachthaber Haitis zum Rücktritt binnen sechs Monaten aufgefordert. Die Amtszeit des haitianischen Armeechefs Raoul Cédras läuft Ende Januar 1995 aus, und Cédras hat bereits angedeutet, er könnte dann turnusgemäß abtreten. Am Mittwoch jedoch lehnte es Cédras ab, zugunsten des 1991 weggeputschten Präsidenten Jean- Bertrand Aristide zurückzutreten. Er werde die Macht nur abgeben, wenn der vom Militär als haitianischer Staatschef eingesetzte Emile Jonaissant international anerkannt werde. Eine Anerkennung Jonaissants lehnte William Gray in seinem darauffolgenden Fernsehinterview entschieden ab. Die De- facto-Regierung sei „illegal und verfassungswidrig“.
Eine Gruppe von Kongreßabgeordneten sagte derweil nach Gesprächen mit Verteidigungsminister William Perry, Außenminister Warren Christopher, Sicherheitsberater Anthony Lake und dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte, John Shalikashvili, es gebe keine Anzeichen, daß eine Invasion Haitis bevorstehe.
Die Menschenrechtsbeauftragte im Außenministerium, Nancy Ely-Raphael, äußerte sich besorgt über die Häufung von Mißhandlungen und willkürlichen Hinrichtungen auf Haiti. Die Militärjunta verliere offenbar die Kontrolle über den Kreislauf der Gewalt, sagte sie. Christine Shelly, Sprecherin des Außenministeriums, sagte aber auf die Frage, ob die Menschenrechtsverletzungen eine Invasion auslösen könnten: „Die Bestimmung einer solchen Schwelle ist nicht möglich.“
Siehe Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen