: „Um Visionen kämpfen“
■ Kongreß „Visionen der Zukunft“ im Congreßcentrum / Ökologie und Spiritualität Zentrum der Debatte
„Ein Paradigmenwechsel findet nun auch in Europa statt“, mit diesen Worten stellte Frank Siepmann, Leiter der Kongresses „Visionen menschlicher Zukunft“, die dreitägige Veranstaltung, die gestern im Bremer Congresscentrum ihren Auftakt nahm, bewußt in internationale Zusammenhänge. Erstens, weil ihm, so schimmerte es durch, im provinziellen Bremen der Eindruck vermittelt wurde, sein Vorhaben sei „exotisch“, so Siepmann. Zweitens, weil Zukunft angesichts der Lage der Welt nur in umfassender Form zu entwickeln sei. Und drittens, weil die Themenkreise Ökologie, Heilen, Beziehung, Spiritualität und Religion unter der Beteiligung von ausgewählten internationalen ReferentInnen stattfinden werden. Unter ihnen sind auch Floyd Westermann, Musiker und Aktivist für die Rechte der amerikanischen IndianerInnen, und die guatemaltekische Maya-Priesterin Calixta Gabriel Xiquin. Gemeinsam mit einer Reihe nahmhafter nordeuropäischer DenkerInnen, WissenschaftlerInnen und AussteigerInnen wollen sie den Fragen nachgehen, wie neue Strukturen für ein ökologisch und spirituell verträgliches Leben entwickelt werden können. Aus Bremen nehmen Annelie Keil, Hochschullehrerin und Grenzgängerin in Gesundheitsfragen, und ihr Kollege, der Informatiker und Chaosforscher Heinz-Otto Peitgen teil.
Vor allem um den Dialog geht es den ReferentInnen, erklärten die gestern vor der Presse. Die Maya- Priesterin Xiquin beispielsweise stellte nicht nur die Sorge um die Entwicklung der Welt in den Vordergrund, sondern auch den Dialog der Völker. „Ich bin als Vertreterin eines Volkes hier, dem es gelungen ist, die letzten 200 Jahre zu überleben“, formulierte sie. Mit ihrer Anwesenheit auf dem Kongreß stehe sie dafür, daß über IndianerInnen nicht nur Bücher gelesen werden können – sie sei gekommen, um das direkte Gespräch zu führen.
Mit der Notwendigkeit des Dialogs begründete auch Annelie Keil ihr Engagement: „Für mich ist es ein Desaster, daß die Positionen der Weltinterpretation nicht mehr miteinander sprechen“. Es sei nicht gerecht, der Esotherik ein Verbotsschild umzuhängen – bei allen berechtigten Vorbehalten gegenüber Geschäftemachern und minder wichtigen „Bypassern“. Aber das sei ebensowenig ansteckend, wie der Glaube anderer an „die innere Stimme“. „Wer um Visionen ringt, muß kämpfen“, so die Hochschullehrerin.
Ein wenig kämpfen mußten die Veranstalter des Kongreßes von Anfang an – nicht zuletzt gegen ihre eigene Reputation, mehr zu versprechen als zu halten. Unter dieses Kapitel fällt die öffentliche Behauptung, von der Gesundheitssenatorin empfangen zu werden, als das Gegenteil schon bekannt war. Und auch das Versprechen, vielerorts Sponsorengelder aufzubringen, muß so gewertet werden: Am Ende wurde einer öffentlich vorgestellt, der die Höhe der Unterstützung „vereinbarungsgemäß“ nicht bekanntgab.
Ein Kongreß dieser Art sei für ihn eine „neue Erfahrung“, so der Kongreßleiter Siepmann gestern. In seiner Funktion als Vorstand eines gemeinnützigen Vereins mußte er erst im letzten Jahr Konkurs anmelden: mangels Masse Mensch, die an seinen Aktivitäten hätten teilnehmen wollen, war es zur Pleite gekommen. Für den „Visionen“-Kongreß wurden auf der gestrigen Pressekonferenz 500 Anmeldungen bekanntgegeben – knapp die Hälfte der ursprünglich veranschlagten Zahl. Dennoch findet das Programm in unwesentlich veränderter Form statt, nur wenige der geplanten Bestandteile fallen aus, darunter die Talkrunde mit Vertretern der Parteien und das Cyber-Space-Computer-Experiment für Jugendliche. ede
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