: Ein Schelm geht um
■ Hier und da, am Wochenende erstmal in Pusdorf: „Till Eulenspiegel“, das neue Spektakel der kulturellen Breitenarbeit, wandert ab heute durch Bremens Stadtteile
Ein Schelm macht's möglich: die Kinderturngruppe des Sportvereins SV Woltmershausen wird auf Trampolinen den Prager Fenstersturz inszenieren. Auch dort hatte Till Eulenspiegel, der vagabundierende Schalk, angeblich einst sein wunderliches Wesen getrieben. Daß die TrampolinsportlerInnen nun aber wahrhaftig auf der Bühne kopfüber- und -unterspringen, das wiederum geht auf das Konto eines anderen Schelms: Regisseur Ivan Pokorny setzt mit Till Eulenspiegel zur Zeit sein bereits zweites sozio-kulturelles Projekt in Bremens Stadtteilen in Szene – mit TänzerInnen, SchauspielerInnen, GauklerInnen, MusikantInnen und vielerlei ortsansässigem Volk. Heute ist in Pusdorf Premiere.
Das kleine Augenzwinkern darin, das hat Methode in Ivan Pokornys Theaterprojekten und fußt auf einer Idee des Bremer Vereins zur Förderung der kulturellen Breitenarbeit. Es gilt, die Kulturaktiven eines Stadtteils in einem Stück zusammenzubringen. Laien, die sie alle sind. Da will dann eben die Kinderturngruppe ebenso gern und sinnvoll integriert sein wie der Maskenbaukreis. Und es musizieren die etwas gesetzteren Damen und Herren des Volkschores sowie die noch aufstrebenden RockmusikerInnen von JB and the immortals „erst argwöhnisch, dann schulterklopfend zusammen“, weiß Ivo Pokorny.
Eine Rechnung, die aufgeht, verbucht Dagmar von Blacha vom Verein zur Förderung der kulturellen Breitenarbeit, wenn sie auf den Erstversuch im letzten Herbst, Don Quichote, und die Nachfolgeinitiativen Musikspaziergang oder Untergang der Titanic zurückblickt. Eine ganze Reihe von Gruppen sei aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt worden, als man angefangen habe, Bremens Großwohnanlagen in Tenever oder Huchting als „Kulturwüsten“ Lügen zu strafen. Inzwischen beteiligen sich auch Stadtteile wie Gröpelingen oder Woltmershausen an den Projekten; der Verein sorgt jetzt hauptsächlich für die Akkreditierung der betreuenden Profis, um die Durchführungen und Finanzierung kümmern sich die Kulturläden vor Ort.
Dort erhalten die großangelegten Spektakel dann auch ihre jeweils eigene Façon: In Pusdorf ist Till Eulenspiegel in die 750-Jahr-Feiern integriert, kostet 26.000 Mark und soll als vergnügliches Open-air schmerzlich den Mangel eines Pusdorfer Kulturzentrums vor Augen führen. 150 Aktive hat Organisator Ludger Fischer zu dem närrischen Treiben mobilisieren können. Und diese bringen „viel Lust, eine schöne Atmo und unheimlich viel Chaos mit“, sagt Ivan Pokorny. Längst gehe es aber nicht mehr nur darum, die Mitwirkenden zeigen zu lassen, was sie alles können, meint er. Für Till Eulenspiegel, das als eine Art Musical konzipiert ist, hat der Bremer Komponist Peter Friemer um die teils blank geflunkerte Eulenspiegel-Wanderschaft Lieder komponiert – die Gruppen sollen dann im gemeinsamen Spiel cross-over total proben und vor allem sich selbst weiterentwickeln dürfen.
Wie von selbst wandelt sich so die Not in die Tugend oder wie sonst könnte man das Wunder beschreiben, daß problemlos ein und dieselbe Komposition in Pusdorf mit zwei Rockgruppen, in Gröpelingen mit einem Mandolinen- und einem Akkordeon-Ensemble arrangiert wird. Dort ist im Oktober die zweite StationTill Eulenspiegels, gefolgt von Kattenturm im November. Schon jetzt springt und spielt sich in beiden Stadtteilen so manches Team bereits warm für den Schelm, es können sich aber auch noch „neue“ Gruppen sowie Einzelpersonen anschließen. sip
Karten für das Open-Air-Spektakel, heute und morgen 18 Uhr, gibt es im Kulturladen Pusdorf, bei der Buchhandlung Schoofs und „Im Weserstrand“.
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