: Vorschriftsfreier Raum
Bundesverkehrsminister will an Schnellstraßen unbegrenzt Emissionen zulassen / Mehr Parkplätze zur Abgasreduzierung vorgeschlagen ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – AnwohnerInnen von Schnellstraßen haben kein Recht auf Krebsvorsorge: Sie dürfen unbegrenzt Benzol und Dieselruß ausgesetzt werden. So sieht es der Entwurf einer Verwaltungsvorschrift vor, den das Verkehrsministerium in den letzten Tagen den Landesregierungen zuschickte. Mit dem Papier soll die Verordnung des Bundesumweltministeriums ergänzt werden, die die zulässigen Dauerkonzentrationen von Stickstoffdioxid, Benzol und Ruß regelt.
„Autobahnen und Kraftfahrstraßen kommen für ein auch nur zeitweises Verkehrsverbot nicht in Betracht“, heißt es in dem Papier. Und auch sonst will das Verkehrsministerium die Blechkistenbesitzer weitgehend von Straßensperren verschonen. „Das Überschreiten der Konzentrationswerte rechtfertigt für sich allein noch keine Anordnung verkehrsbeschränkender und -verbietender Maßnahmen.“ Es soll lediglich die Bürokraten in den Verkehrsbehörden veranlassen, umfassende Prüfungen einzuleiten. Grundsatz dabei soll bleiben: „Unabweisbare Verkehrsbedürfnisse in den betroffenen Gebieten müssen befriedigt werden“.
Zur Schadstoffreduzierung schlägt Verkehrsminister Matthias Wissmann vor, den Verkehrsablauf zu optimieren und mehr Parkplätze zu bauen, damit die Autofahrer nicht immer wieder um den Block kurven müssen. Erst danach weist er pflichtschuldig auf bessere Bedingungen für Busse, Bahnen und Fahrradfahrer hin.
Damit ist die seit drei Jahren vom Bundesumweltministerium vorbereitete Ergänzung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, die im März vom Bundesrat abgesegnet wurde, fast völlig wertlos. Schon in den letzten Jahren war es ADAC und Automobilindustrie gelungen, die Werte für Dieselruß und Benzol von zunächst acht und zehn auf 14 und 15 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft anzuheben. Erst 1998 sollen die ursprünglichen Höchstbelastungen gelten.
Länder und Verbände können sich bis zum 20. August schriftlich bei Wissmann melden, wenn sie nicht einverstanden sind. „Eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus dem Umwelt- und Verkehrsministerium wird die Bedenken dann in den ursprünglichen Entwurf einarbeiten“, versichert der Sprecher des Umweltministeriums, Franz- August Emde. Schließlich muß der Bundesrat dann noch einmal zustimmen. Mit großen Widerständen braucht die Bundesregierung nicht zu rechnen: Obwohl sich verschiedene SPD-Länder noch zu Jahresanfang empört über die heraufgesetzten Grenzwerte geäußert hatten, machte der Bundesrat keine entsprechenden Änderungsvorschläge.
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