„Wir wollen Nachbarn sein“

■ Bosnische Flüchtlinge sollen aus ihrem überteuerten Haus am Körnerwall in neue Wohnungen umziehen / AnwohnerInnenproteste: AusländerInnen sollen bleiben

Aus der Not war die Lösung geboren: Als das Sozialressort vor zwei Jahren allerdringendst Unterkünfte für AsylbewerberInnen suchte, war so ziemlich jede Klitsche zu jedem Preis recht. Eines der Beispiele, die das Ressort jetzt liebend gern wieder loswerden will: der Körnerwall 4. Das Haus, in dem früher die Kinderschule untergebracht war und in dem sich keine abgeschlossenen Wohnungen befinden, mietete die Bremische Gesellschaft im Auftrag der Behörde für 5.000 Mark Monatsmiete an – das entspricht einem Quadratmeterpreis von 22,50 Mark. Vermieter: der linke Rechtsanwalt Horst Wesemann.

Am Körnerwall wurden bosnische Flüchtlinge untergebracht. Zur Zeit wohnen dort noch fünf Familien mit Kindern, die im Viertel zur Schule gehen – die Sprachbarrieren lockerten sich im Lauf der Zeit, mit den NachbarInnen freundeten sich so langsam Kinder und Eltern an. „Wir sind hier zufrieden und fühlen uns wohl“, sagen die BosnierInnen, lediglich ein bißchen eng sei es. „Das Leben der Familien begann Ansätze von Angstfreiheit, Vertrauen und Zukunftsoffenheit zu gewinnen“, schreiben die anderen AnwohnerInnen – die nun darum kämpfen, daß die BosnierInnen ihre Nachbarn bleiben. Denn Ende Mai bekamen die bosnischen Familien Post: Ende Juli müßten sie aus dem Haus ausziehen und würden anderweitig untergebracht. Denn Ende Juli läuft der Zweijahresvertrag für das Haus aus, und die Bremische hat das Mietverhältnis gekündigt.

„Das Haus ist uns jetzt viel zu teuer“, sagt Wolfgang Beyer, Sprecher des Sozialressorts. Stattdessen sollen die bosnischen Familien Wohnungen in einem Haus, das in Horn-Lehe von der Stadt zur Unterbringung von Zuwanderern neu gebaut wird, beziehen – „höchste Unterbringungsstufe“, so das Sozialressort. Da dieses aber erst ab 1. Oktober bezugsfertig ist, sollten die Familien übergangsweise für zwei Monate in das Übergangswohnheim Ludwig-Quidde-Straße ziehen. Das rief die NachbarInnen auf den Plan: In einer Unterschriftenaktion legten sie Protest gegen den angeordneten Umzug ein, der eine „Verunsicherungs- und Deklassierungsveranstaltung“ und die „Rückverlegung in Sammelunterkünfte an der städtischen Peripherie, die voll auf Kosten der Betroffenen gehen würde“ bedeute. Die BosnierInnen bekamen Angst, daß sie in eine Massenunterkunft gesteckt werden. Und die NachbarInnen forderten, daß wenigstens bis Ende des Jahres das Mietverhältnis verlängert wird, um eine andere Lösung im Viertel zu finden – Vermieter Wesemann, der es schwer haben dürfte, das Haus anderweitig zu vermieten, sei einverstanden.

Das Sozialressort hat dafür wenig Verständnis: „Flüchtlinge müssen sich darauf einstellen, daß sie innerhalb Bremens noch ein-, zweimal umziehen müssen – auch um eine Verbesserung der Unterbringung zu erreichen“, so Erhard Heintze, im Ressort für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Zudem gebe es auch in Horn-Lehe engagierte Gruppen und ehrenamtliche Arbeit, die sich um die Integration von Flüchtlingen bemühe: „Die Leute werden dort nicht alleingelassen, es wird auch kein ,Ghetto' geben, und das Haus am Körnerwall werden wir auf jeden Fall aufgeben“, so Heintze. Obendrein ist der finanzielle Aspekt nämlich nicht das einzige Hindernis: Denn seit Monaten schon beschweren sich AnwohnerInnen wegen Lärmbelästigung – genauer gesagt eine direkte Nachbarin, die wegen des nicht isolierten Treppenhauses bereits mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Unterbringung gedroht hat.

Für einen Verbleib der BosnierInnen müßten die AnwohnerInnen wohl eher mit Anwalt Wesemann als mit der Behörde verhandeln: Da die Familien allesamt Kontingentflüchtlinge sind, sich also auch selber eine Wohnung suchen dürfen, scheitert es wohl mehr daran, daß der momentane Mietpreis die Maximalsätze, die das Sozialamt den Familien zahlen würde, bei weitem übersteigt. Nach einem Gespräch der (wohlwollenden) AnwohnerInnen mit dem Sozialressort bahnt sich nun wenigstens eine kleine Lösung an: Der vorübergehende Umzug ins Übergangswohnheim soll den BosnierInnen erspart bleiben und der Körnerwall für wenigstens zwei weitere Monate angemietet werden. Und die bosnischen Familien, die Angst vor einer Massenunterbringung haben, werden sich erstmal die neuen Wohnungen ansehen. skai