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Mieter unter Druck

■ Firma stellt Mieter vor die Wahl, Wohnung zu kaufen oder auszuziehen / Scientology-Vorwurf nicht beantwortet

Eindringlicher könnte die Warnung nicht sein: Das „Kaufangebot ist eine reine Katastrophe“, urteilt ein Anwalt über ein Angebot, das ein Mieter von ihm prüfen ließ. Eine Firma namens „Gesellschaft für Grundbesitz und Beteiligungen“ (GGB) hatte Heinz Kober* offeriert, seine Mietswohnung zu kaufen. Konkreter Anlaß: Die GGB sei dabei, die Wohnungen in der Muskauer Straße 52 in Kreuzberg in Eigentumswohnungen umzuwandeln.

Seitdem im Juli 1992 die Vorschriften bei Umwandlung von Miets- in Eigentumswohnungen von den Karlsruher Gerichten aufgehoben wurden, rollt die Umwandlungswelle über die Stadt. Geschäftspraktiken wie bei der GGB, resümiert aber der Kreuzberger Verein SO 36, seien nicht unbedingt üblich. So gebe es für die Muskauer Straße 52 weder die für eine Umwandlung notwendige Abgeschlossenheitsbescheinigung, noch sei die GGB bereits im Grundbuch eingetragen. Dort stünde statt dessen immer noch der Verkäufer des Grundstücks, die „Domirent“ – eine Firma, die aus der Konkursmasse der Bellevue/ Residenta, den Nachfolgern der berüchtigten Vogel/Braun-Gruppe, hervorgegangen ist. Grund: Der Kaufpreis für die Muskauer Straße 52 wird nach Angaben des Vereins SO 36 erst Ende Dezember 1994 fällig. Für die Mieter ist der Fall klar. Sie sollen durch die jetzigen Käufe den Kaufpreis für die GGB (knapp zwei Millionen Mark) im Dezember bestreiten.

Die Muskauer Straße 52 ist eines von sechs Mietshäusern in Kreuzberg, das die GGB von der „Domirent“ erwerben will, um zusammen mit ihrer Vermarktungsfirma „Hamburger Immobilien Consult“ (HIC) am großen Geschäft mit der Umwandlung mitzumischen. „Teilweise fast täglich“, so berichten Mieter, versuchten Mitarbeiter der GGB den Eindruck zu erwecken, als gebe es bereits mehrere Kaufinteressenten, und versuchten so, die Mieter zum Erwerb der eigenen Wohnung zu drängen. Wer jedoch kauft, urteilt der Anwalt von Mieter Kober, habe schlechte Karten. Angesichts des noch fehlenden Grundbucheintrags, der auch im Kaufvertrag enthalten sei, werde man als Mieter keine Chance haben, bei einer Bank Kredite zu bekommen.

Die Umwandler der GGB stört's freilich nicht. Wer nicht binnen kürzester Frist in den Kauf der eigenen Wohnung einwillige, berichten die Mieter, der werde vor die Wahl gestellt, auszuziehen, Schmiergeld von 30.000 Mark eingeschlossen. Heute abend beraten die Mieter der sechs Kreuzberger Häuser sowie der Verein SO 36 auf einer Versammlung darüber, wie sich die Mieter wehren könnten.

Die GGB indes gibt sich siegessicher. Umwandlung sei die einzige Chance, heißt es in einem Schreiben an die Mieter, für breite Teile der Bevölkerung, Immobilien-Eigentum zu akzeptablen Preisen zu bilden. Außerdem seien in der Muskauer Straße 52 alle Wohnungen „verkauft“, „reserviert“, „frei lieferbar“ oder seien mit den Mietern „Mietaufhebungsvereinbarungen geschlossen“. Zum Vorwurf der Mieter, bei manchen Firmenmitarbeitern der GGB handele es sich um Scientologen, schrieb die GGB lapidar: „Wir wollen uns hier nicht über die persönlichen Überzeugungen unserer Mitarbeiter äußern.“ Uwe Rada

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