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Theoretischer Widerstand

■ 20. Juli in Bremen: Bundeswehroffiziere lassen Bedenkfeier über sich ergehen

Grabesstille liegt über dem Vortragssaal Eins der Nachschubschule des Heeres in der Roland Kaserne. Um die vierhundert Männer haben sich in halbdunkler Geräuschlosigkeit zusammengefunden, sitzen in Reih und Glied auf den samtbezogenen Klappsesseln. Sie sind Ausbilder oder Schüler der Grohner-Kaserne. Als Lernziel für den 20. Juli steht der Deutsche Widerstand vom selbigen Tag vor genau fünfzig Jahren auf dem Programm. Die hellblau behemdete Schar ist von Oberst Klaus Michael Hartmann, Dienststellenleiter der Schule, abkommandiert, der „Erinnerung an den Widerstand gegen Hitler“ beizuwohnen.

Zu der Be- und Gedenkfeier sind hohe Gäst gekommen: General von Horn, quasi der oberste Chef der Schule, ist aus Köln vom Heeresamt angereist. Volker Kröning, Senator a. D., trägt aus persönlicher Sicht seine Gedanken zu dem Tag des Widerstandes aus den Reihen der deutschen Militärs gegen den Nationalsozialismus bei. Der SPD-Politiker wehrt sich dann auch vehement dagegen, „den Widerstand parteipolitisch zu reklamieren und zu instrumentalisieren“. Der Widerstand gegen Hitler sei nur in „seiner Gesamtheit“ zu betrachten. Kröning schlägt daher einen großen Bogen durch die deutsche Geschichte dieses Jahrhunderts, möchte zugleich auch an den Widerstand der Ostdeutschen vom 17. Juni 1953 erinnern. Beide hätten schließlich gegen „ein preußisch-diktatorisches Unrechtssystem“ geputscht. Das geht den Berufssoldaten runter wie Öl. Gilt Oberst Graf von Stauffenberg doch immer noch als „Vorbild für viele Soldaten“, wie Pressesprecher Kempe im Bundesverteidigungsministerium meint.

Kröning baut die Heerschar weiter auf. In der Nachkriegszeit seien schließlich viele Wehrmachtsoffiziere in den Schuldienst getreten, hätten dort im Geschichtsunterricht ihre Vergangenheit in der Armee aufgearbeitet. So wären Fragen nach den Männern vom 20. Juli 1944 genauso intensiv beantwortet worden, wie nach der Ostfront. Überhaupt hätte sich die Bundeswehr intensiver mit der Bewältigung des Nationalsozialismus beschäftigt als die Politik.

„Nationalsozialismus und Widerstand lehren das Prinzip Verantwortung“, sagt Kröning. Wie bei all seinen bedachten Ausführungen zu dem Thema rührt sich unter den Militärs keine Stimme, kein Geräusch der Zustimmung oder Ablehnung. Die Befehlsempfänger sitzen, hören zu, warten. In der angesetzten „Diskussion“ mit Kröning gibt es ganze zwei Anmerkungen. Dann, Punkt High Noon: Abtreten zum Essenfassen.

Verantwortung ist auch das große Thema von General von Horn. Der 20. Juli sei „ein gutes Beispiel für die Wahrnehmung von Verantworung“. Und Verantwortung ist den Soldaten zur Genüge aufgebürdet. Denn „Bürger und Staat setzen großes Vertrauen in die Soldaten“. Immerhin müssen sie laut Eid der BRD „treu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigen“. Bislang mußten sie Treue und Mut nicht für „das Vaterland“ einsetzen. Das allerdings kann sich nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts schnell ändern.

Die Planspiele über theoretischen Widerstand gegen Unrecht oder Befehlsverweigerung brauchten in der bisherigen Geschichte der BRD nicht umgesetzt zu werden. Was wäre wenn? Oberleutnant Gerhard Ahlswede findet die Frage „gemein“. Er wüßte nicht, wie er sich in Stauffenbergs Lage verhalten hätte. „Ich habe schon oft darüber nachgedacht“, gesteht er ein. Doch eine Antwort auf die Frage bleibt er schuldig. fok

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