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Meine Lieblingsaktie

■ Wer hat bei Springer das Sagen? Radikalkur im Management

Wir wußten gar nicht, daß sie so lange dauerte, aber seit gestern wissen wir's: „Die Gründerzeit des Axel Springer Verlages ist vorbei.“ Axel Caesars Testamentsvollstrecker, Aufsichtsratschef Bernhard Servatius, verkündete es am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Berlin. Was er meint, ist ein radikaler Führungswechsel im Vorstand des Konzerns. Horst Keiser, der eigentlich an diesem Tag zum Vorstandsvorsitzenden aufrücken sollte, wird mit 58 in Pension geschickt, und neben dem bisherigen Chef Günter Prinz (65) dürfen auch noch gleich die letzten beiden Topmanager aus der Ära des Gründers ihren Platz räumen: Hans-Joachim Marx (63) und Claus Liesner (59). Neuer Chef wird der 52jährige Jürgen Richter, der erst am 1. Mai von der Ludwigshafener Medien-Union zu Springer gekommen ist und gerade den Schulbuchverlag Westermann saniert hat. Der sollte eigentlich erst ein paar Jahre Erfahrungen als Thronfolger sammeln. Aber dann bemerkte man seine „schnelle und überzeugende Einarbeitung“ (Servatius) und verordnete dem Vorstand die Radikalkur.

Richters Fähigkeiten müssen den Aufsichtsrat mächtig beeindruckt haben. Denn, so ließ uns Servatius wissen, schon „seit dem 16. Mai“ habe man in langen Sitzungen die Entscheidung vorbereitet. Fragt sich, wer da schon zwei Wochen nach Richters Amtsbeginn Druck gemacht hat. Wohl kaum die Erben, die noch knapp über 50 Prozent des Aktienkapitals besitzen. Friede Springer saß schweigend auf dem Podium, sichtlich mit den Tränen kämpfend, als die letzten Mitstreiter ihres Mannes mir nichts dir nichts den warmen Handschlag erhielten.

Stumm saß drei Plätze neben ihr unter den Aufsichtsräten der andere Mächtige: Leo Kirch. Ein Wunder, daß er, der sich fast nie in der Öffentlichkeit zeigt, überhaupt kam. Angeblich ist er ja fast blind. Im Berliner ICC sahen wir ihn dann allerdings hinter der Bühne zielsicher durch die Kulissen schreiten.

Eigentlich hätte er sich auch gleich mit Friede Springer auf ein Tête-à-tête treffen können, denn außer ihren beiden Stimmpaketen waren gerade einmal noch 1,3 Prozent sogenanntes „Streukapital“ vertreten. Aktionärsdemokratie bei Springer, das sieht dann so aus: Im Riesensaal verliert sich neben Journalisten und anderen Spionen aus der Branche ein Häuflein von um die hundert Kleinaktionären. Die Zustimmung liegt, je nach Abstimmung, zwischen 99,99988 und 99,9924 Prozent des auf der Versammlung vertretenen Kapitals. Die Springer-Erben verfügen noch über gut 50 Prozent aller Anteile, Kirch hat, das läßt sich errechnen, mit etwas über 35 Prozent abgestimmt, und für 1,3 Prozent Kleinaktionäre hat man das Berliner ICC gemietet. Da fehlen über 13 Prozent. Sind deren Besitzer alle in den Sommerferien? Oder hat Kirch vielleicht doch, allen Dementis zum Trotz, ein gut Teil davon schon aufgekauft?

Das interessiert die mit Frankfurter Würstchen und Käseschnitten bewirteten Kleinanleger an diesem Tag aber nicht. Manche hören sich nur gerne reden und geben dem Vorstand Ratschläge, das Format der Bild-Zeitung doch lieber zu verkleinern oder in der Welt eine Promi-Rubrik „Meine Lieblingsaktie“ einzuführen. Andere wären da schon ernster zu nehmen, hätten sie nur mehr Stimmgewicht. Wieviel denn die Abfindungen für immer neue Wechsel im Vorstand gekostet haben, möchten sie wissen. Die Antwort von Personalchef Werner Stumpfe ist konkret, aber global: 80 Millionen habe man insgesamt für das Sanierungspaket, einschließlich der Verkleinerung des Vorstands um fünf Mitglieder, zurückgelegt.

Doch auf alle Fragen nach Details antworten die Herren unisono: „Bitte haben Sie Verständnis...“ Um wieviel Abfindung man sich mit dem Topmanager Willi Schalk streitet, der im Januar nach nur gut zwei Monaten wieder ging? „...schwebendes Verfahren“. Wieviel man für die gerade beschlossene Verjüngungskur zurückgelegt hat? „...war noch nicht nötig, betrifft erst das laufende Geschäftsjahr.“

Wenig Konkretes war dem Vorstand auch zu publizistischen Strategien zu entlocken, „Sie müssen verstehen, aus Wettbewerbsgründen“. Da schwadronierte der ausscheidende Günter Prinz in seiner Rede von konservativen Prinzipien („Ein Volk, das sein Gedächtnis verliert oder seine Werte...“) und definierte „das Liberale“ mit der Formel „Wer sich dem Neuen nicht öffnet, erfindet nichts“. Und sonst ist außer den Anzeigenumsätzen eigentlich (fast) alles in Butter, die Zeitungen von Bild bis Hamburger Abendblatt sind eine „Perlenkette“ (Prinz), TV-neu dürfe nicht mehr „TV-blei“ genannt werden, denn „mittelfristig“ werde die Programmzeitschrift die Gewinnschwelle erreichen, und selbst die roten Zahlen der Welt (rund 70 Millionen) „werden langsam rosa“, malte der Vorstandschef. Man fragt sich wie, denn daß der Umzug in die Hauptstadt nur eine Handvoll neuer Leser gebracht hat, pfeifen die Spatzen von den Berliner Dächern. Michael Rediske

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