: Echt Nachbau
■ Tecnolumen, Bremens Nachbau-Spezialisten bauten mit Bauhaus-Klassiker den Erfolg und setzen jetzt auf Design der Gegenwart.
Er ist der Mann mit der Lampe. Und er kann es nicht mehr hören. Walter Schnepel, 53, von der Bremer Firma Tecnolumen weist auf die Zeitgenossen hin, auf junge DesignerInnen aus Bremen, deren Leuchten er produziert und die ihm mittlerweile viel bedeuten. Sie sollen die Produktpalette des Lampenherstellers in der Zukunft bestimmen. Aber so schnell wird er das Image nicht los, für das Tecnolumen steht. Schließlich hat sich die kleine Bremer Leuchtenfirma mit einem klaren Konzept einen Namen gemacht: Klassiker-Nachbauten. Seit 1980 produziert der Betrieb einen der einprägsamsten Klassiker der Design-Geschichte überhaupt: Wilhelm Wagenfelds Bauhausleuchte, die Lampe mit dem gläsernen Bein und der weißen Halbkugel als Schirm.
Walter Schnepel erinnert sich noch genau an die Entstehung. Er selbst hatte schon als 16jähriger begonnen, Graphik zu erwerben und eine Sammlung aufzubauen. „Sammler sind alle Händler, man sammelt sich so nach oben.“ Den Lebensunterhalt verdiente er allerdings ganz prosaisch, als Kaufmann in Sachen Elektrotechnik, im väterlichen Betrieb. 1978 trifft er Wilhelm Wagenfeld, da ist die Bauhaus-Leuchte seit 45 Jahren nicht produziert worden. 1924 von dem damals 24jährigen in Weimar entworfen, ist sie, wie die meisten Erzeugnisse der Moderne 1933 den Barbaren des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen. Als Schnepel den Vorschlag macht, die Bauhaus-Lampe nachzubauen, ist die Reaktion des alten Meisters verblüffend schlicht: „Machen sie doch“.
Was einfach klang, erwies sich in der Praxis als schwierig. „Wir konnten es einfach nicht. Haben uns furchbar auf die Nase gelegt, weil das Know how fehlte,“ erinnert sich Schnepel. Ein Jahr wurde gefummelt und 100.000 Mark verbraten, bis genau die Wagenfeld Lampe in Serie gehen konnte, die 1924 schon produziert worden war. Der Grund: Die alten Entwürfe waren für ganz andere Herstellungsmethoden gedacht, vieles lief in Einzelfertigung. 1920 konnte man es sich noch leisten, manch kleinen Schalter von Hand machen zu lassen. Wollte man das beibehalten, wären die eh schon teuren Nachbauen heute schier unbezahlbar.
Um es kurz zu machen, das Come back Bauhauslampe wurde 1980 in Erfolg. Fast ohne Werbung verkaufte sich die erste Auflage von 250 Stück in drei Wochen.
Das war vor 14 Jahren. Damals sah die Designlandschaft in Deutschland völlig anders aus als heute. Jemand wie Walter Schnepel konnte sich an die Spitze einer Ästhetikwelle setzen, die heute zu einem fast unüberschaubaren Meer geworden ist: Die Kopie der Moderne. Klassiker-Nachbauten, manche davon durch schlechtes Material und billigste Herstellung zum Selbstzitat verfälscht, finden sich heute in jedem Warenhauskatalog, bei Ikea und im spießigsten Möbelhaus. Vieles ist die Kopie der Kopie wie beim Raubdruck der Raubnachbau. Da werden nicht nur die Lizenzen unterschlagen, die jemand wie Walter Schnepel, der wirklich Originaltreue anstrebt, an die Künstler oder deren Erben zahlt, sondern auch das Produkt durch die Billigbauweise verhunzt.
So uniform wie er heute als Bestuhlung in den Wartezimmern der Gemeinschaftspraxen herumsteht, könnte man fast meinen, Thonets Freischwinger mit dem Stahlrahmen sei eine Erfindung der Yuppie Generation.
In den späten 70ern als die neue Äthetisierung der Republik begann, war immer noch die Wüste sichtbar, die der Kahlschlag der Nazis unter den deutschen Künstlern hinterlassen hatte. Was einheimisches Design anging, herrschte noch Nachkriegszeit in Deutschland. Gutes Design kam aus Italien, von den Spezialisten des schönen Scheins, und aus Skandinavien. „Gehen sie doch mal in Dänemark in eine Autobahnraststätte, da stimmt selbst der Salz- und Pfefferstreuer“ beobachtete Schnepel.
Heute hat sich die Lage fast umgekehrt, verkauft sich über Design das banalste Produkt. In Zeitgeist- Zeitschriften kleben auf den Anzeigen von postkartengroßen Büchlein, aus denen nun der amerikanische Toaster, das Zappo Feuerzeug und natürlich Ventilatoren in Chrom bestellt werden sollen. Wo Design-Klassiker zum Kaufhaustrend geworden sind, geht Walter Schnepel einen Schritt weiter. Langsam, so findet er, sei der Nachholbedarf gedeckt. Schließlich umfasst sein Angebot so ziemlich alle entscheidenden Lampenentwürfe der 20er Jahre. Zusätzlich hat er eine edle Kollektion von kostbaren Schmuckstücken und Objekten des nicht alltäglichen Bedarfs aufgelegt, zu der auch die Kanne (s. Abb.) von Sylvia Stave gehört. Die Zukunft soll der Gegenwart gehören: Jungen DesignerInnen, wie der Gruppe ZENO aus Bremen. Deren Leuchten sind um 1991 und 1992 entstanden und orientieren sich sich, wer hätte es gedacht, an der Deutschen Design-Geschichte, dem Bauhaus der zwanziger Jahre.
Susanne Raubold
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