: Türkische Zeitung droht Schmalstieg
■ „Hürriyet“ ruft zur Lobby gegen zu kurdenfreundlichen OB auf
Hannover Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) ist wegen seines Engagements für die Kurden weiterhin Zielscheibe türkischer Kritik. Nachdem die türkische Zeitung „Hürriyet“ in ihrer Europaausgabe Schmalstieg „Schirmherr des Terrors“ genannt und seine Dienstadresse sowie Telefon- und Faxnummer abgedruckt hatte, gingen auch am Donnerstag und Freitag wieder Briefe im Rathaus ein. Ein Schreiben sei wegen der darin enthaltenen massiven Drohungen an die Polizei weitergeleitet worden, teilte der Sprecher des Oberbürgermeisters mit. Tufan Türenc von der „Hürriyet“-Chefredaktion rechtfertigte die Veröffentlichung.
Schmalstieg hatte während einer Trauerfeier für den in Hannover durch eine Polizeikugel ums Leben gekommenen Kurden Halim Dener das in Deutschland geltende PKK-Verbot als „kontraproduktiv“ kritisiert. Der 16jährige Kurde hatte vor drei Wochen Plakate geklebt und war während eines Festnahmeversuchs getötet worden. Seine Familie warf unterdessen den Ermittlern erhebliche Versäumnisse vor. Sie stellte gegen den hannoverschen Oberstaatsanwalt Nikolaus Borchers einen Befangenheitsantrag.
Borchers leitet die Ermittlungen gegen den 28 Jahre alten Polizeibeamten, der angegeben hatte, der tödliche Schuß habe sich versehentlich aus seiner Waffe gelöst. Der Rechtsanwalt der Familie, der Bremer Hans-Eberhard Schultz, begründete den Befangenheitsantrag am Freitag vor der Landespressekonferenz in Hannover mit einer Reihe von Widersprüchen und Versäumnissen bei den Ermittlungen. So habe beispielsweise die Aussage eines zufällig am Tatort weilenden Polizisten aus Hamburg vorgelegen. Dieser habe nach eigener Aussage unmittelbar nach dem Schuß gesehen, wie der beschuldigte SEK-Beamte mit der Waffe auf den Kurden gezielt habe.
Der Ton zwischen Oberbürgermeister Schmalstieg und einem Mitglied der „Hürriyet“-Chefredaktion wird derweil schärfer. Tufan Türenc sagte, mit der Veröffentlichung werde die Bildung einer Lobby angestrebt. „Unsere Zeitung sowie die anderen türkischen Tageszeitungen werden diese Praxis weiter verfolgen, da die Wirkung nicht zu leugnen ist.“ Schmalstieg habe rund 30.000 Kurden gefallen wollen und dabei die Gefühle und den Nationalstolz von rund zwei Millionen Türken in Deutschland verletzt. Er solle sich bewußt sein, daß die Türkei ein großes und wichtiges Land sei, mit dem Deutschland in traditionell guter Freundschaft verbunden sei. Die Türkei sei auch ein wichtiger Wirtschaftspartner. „Wir glauben, daß Schmalstieg aus politischer Unerfahrenheit heraus gehandelt hat“, meinte Türenc.
Schmalstiegs Referent betonte, der Oberbürgermeister werde sich auch künftig für die Rechte der Kurden in der Türkei einsetzen. Er habe „eine pazifistische Grundhaltung“ und könne sich schließlich nicht selber untreu werden. Schmalstieg hoffe jedoch, daß die Zeitung „Hürriyet“ auf dem Wege der diplomatischen Beziehungen zwischen Bonn und der türkischen Hauptstadt Ankara zurechtgewiesen werde. dpa
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