: Schlechte Noten für Handelskammer-Prüfer
■ Wie ein Rechenfehler einen Prüfling fast um den Gesellenbrief brachte
Christoph von Bargen war geschockt. Nach den Ergebnissen der ersten fünf von sechs Prüfungen fehlten ihm nur noch 30 Punkte in Bereich Rechnungswesen zur Erlangung des Gesellenbriefs als Bürokaufmann. Aber als er bei der Handelskammer Hamburg anrief, um das letzte Prüfungsergebnis zu erfahren, bekam er die Antwort: „28 Punkte.“ Durchgefallen.
Pech für den Prüfling? Christoph wollte genauer wissen, was ihn vom ersehnten Berufsabschluß trennte. Er ließ sich seine Arbeiten vorlegen und rechnete selbst nach. Und kam, nachdem er die Punktzahl aller Einzelaufgaben fein säuberlich addiert hatte, auf eine Gesamtsumme von ingesamt 35 Punkten.
Ein Ergebnis, das die Handelskammer nach nochmaliger Durchsicht der Arbeit bestätigen mußte. Den Prüfern war bei der Bewertung der Arbeit ein Fehler unterlaufen, der den Auszubildenden um ein haar den Abschluß gekostet hätte. Ein Einzelfall? Kirsten Seyer von der Abteilung Berufswesen der Handelskammer auf die Frage, ob ausgeschlossen werden kann, daß solche Fälle öfter vorkommen: „Nein.“
8642 Kandidaten legten im letzten Jahr ihre Abschlußprüfung vor der Handelskammer Hamburg ab. 8000 davon mit „bestanden“. Nach der Prüfungsordnung werden schriftliche Arbeiten für den Abschluß einer Berufsausbildung zunächst von einem Lehrer korrigiert, der sie danach der Handelskammer zuschickt. Diese gibt sie zur Kontrolle weiter an einen dreiköpfigen Prüfungsausschuß. Doch dort, so scheint es, werden die Arbeiten in aller Regel nicht gelesen: „Wenn wir das alles genau nachprüfen würden, was uns vorgelegt wird, hätten wir viel zu tun“, meint dazu die Schulvertreterin des Ausschusses, Christa Jepsen.
Niemand kann kontrollieren, ob die Mitglieder des Kontrollausschußes ihre Aufgabe ernst nehmen und die Prüfungen selbst noch mal überprüfen. Hubert Grimm, der bei der Handelskammer die Abteilung Gewerbliche Berufe leitet, geht davon aus, daß die ehrenamtlichen Prüfer bei Überlastung schon um Verstärkung bitten würden. „Es kommt gelegentlich einmal vor, daß wir ein viertes Mitglied einberufen müssen. Aber in den allermeisten Fällen wird nichts dergleichen signalisiert“. Grimm weiter: Und wenn einmal ein Fehler passiert, dann ist eben Irren auch nur menschlich.“ Für die Karriere der Prüflinge aber kann der Irrtum tödlich sein.
Die Auszubildenden sind also weiterhin auf eigene Nachforschungen angewiesen. Wer entdeckt, daß seine Prüfungsleistungen falsch bewertet wurden, kann schriftlich Widerspruch einlegen. Aber wer zweifelt schon daran, daß so wichtige Dinge wie Abschlußprüfungen von der Handelskammer mit besonderer Sorgfalt behandelt werden? Ute Schmölz
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