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Rückkehr nach Abschiebung

■ Kurdische Familie vereint / Rückkehr nach Uchte verweigert

Die kurdische Familie Doruk wird kein zweites Mal auseinandergerissen. Das versicherten gestern übereinstimmend das niedersächsischen Innenministerium und der Landkreis Nienburg.

Der Fall der Flüchtlingsfamilie Doruk, die jahrelang in Uchte (Landkreis Nienburg) gelebt hatte, war als bundesweit erster Fall bekannt geworden, in dem es gelungen ist, eine bereits abgeschobene Familie mit Hilfe der Behörden wieder nach Deutschland zurückzuholen. Anlaß dafür war der Hungerstreik des Familienvaters Ibrahim Doruk, der als einziges Mitglied der fünfköpfigen Familie im April in Deutschland zurückgeblieben war, und das besondere Engagement von kurdischen und deutschen Freunden der Familie.

Zwar hat das Verwaltungsgericht Hannover am 15. Juli einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz für die Familie Doruk abgelehnt, in der Begründung jedoch darauf hingeweisen, daß der zuständige Landkreis Nienburg zur Zeit „keine aufenthaltsbeendende Maßnahme“ plane. Der Pressesprecher des Landkreises, Müller, gestern zu taz: „Wir haben die Duldung aus humanitären Gründen bis Ende Oktober verlängert.“ Falls bis dahin noch nicht über den Asylfolgeantrag des Familienvaters entschieden sei, müsse eine weitere Verlängerung geprüft werden.

Frau Doruk war nach eigenen Angaben bei ihrer Abschiebung direkt auf dem Istanbuler Flughafen verhaftet und elf Tage lang mißhandelt, beschimpft, bedroht um immer wieder über den Aufenthaltsort ihres Mannes verhört worden. Nur mit Unterstützung einer eigens aus Deutschland nachgereisten Delegation des Niedersächsischen Flüchtlingsrates konnte sie anschließend wieder einen Paß bekommen und mit ihren Kindern nach Deutschland zurückkehren.

Diese Version der Abschiebungs-Odyssee wird vom Landkreis Nienburg allerdings heftig bestritten. Er beruft sich dabei auf Schreiben der Deutschen Botschaft in Ankara und des Deutschen Konsulats in Istanbul, in denen es heißt, daß „kein Mitglied der Familie Doruk in der Türkei jemals verhaftet oder mißhandelt“ worden sei. Als Quelle wird dafür ein „Hauptkommissar Akin“ genannt, der bestätigt habe, daß die Familie Doruk bereits einen Tag nach der Ankunft in Istanbul in ihren Heimatort Manisa weitergereist sei.

Als „Lügenpropaganda“ weist Eberhard Schultz, Bremer Anwalt der Familie, diese Version zurück. Es gebe zahlreiche Zeugen dafür, daß Frau Doruk und ihre vier Kinder tatsächlich am Flughafen in Haft genommen und erst nach elf quälenden Tagen wieder freigelassen worden seien.

Trotz ihrer auch vom niedersächsischen Innenministerium unterstützten Rückkehr konnte die Familie Doruk allerdings bis heute ihre langjährige Wohnung in Uchte nicht wieder beziehen. Stattdessen wurde sie in eine zentrale Aufnahmeeinrichtung in Neustadt am Rübenberge eingewiesen. Insbesondere für die jüngeren Kinder gehe damit das Verfolgungsdrama weiter, sagt Anwalt Schultz: „Die Kinder sind seit den Mißhandlungen in Istanbul vollkommen verstört, haben auch in Deutschland panische Angst vor jeder Uniform und verstecken sich hinter Erwachsenen.“

Der Landkreis Nienburg hatte die Rückkehr der Familie ins vertraute Uchte mit der Begründung abgelehnt, es gebe dort „Sicherheitsprobleme“. Das öffentliche Aufsehen um den einmaligen Fall einer erst abgeschobenen und dann wieder zurückgekehrten Flüchtlingsfamilie könnte Neo-Nazis anlocken. Dazu Anwalt Schultz: „Dann kann das Asylrecht auch gleich ganz abgeschafft werden.“

Ase

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