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Frischer Wind im Stadtdialog

■ taz-Serie 3. Teil: BRT über die Verantwortung des Architekten für die Qualität unserer Stadt

Am vergangenen Wochenende haben zentrale Veranstaltungsreihen und Ausstellungen des Hamburger Architektur-Sommers 1994 in den Deichtorhallen ihre Tore geschlossen.

Ohne ein Resümee vorwegnehmen zu wollen, sei in bezug auf die vielfach dargelegten Visionen einer Hamburger Baukultur eine An-knüpfung an die Veranstaltungsreihe, die überregionales Interesse geweckt hat, gestattet.

Die Initiativen der Stadtentwicklungsbehörde, Architektenkammer, des BDA und nicht zuletzt etlicher Kollegen haben zu einem Dialog geführt, der die unterschiedlichsten Phänomene der Stadt in vielschichtigen Statements und Stimmungen herausarbeiten und aufzeigen konnte.

Architektursommer '94

In den zurückliegenden Tagen und Wochen ist vieles über diesen Sommer und Hamburgs Architektur-'Kultur' gesprochen und geschrieben worden. Verfolgt man dabei die überregionalen Betrachtungen, ist festzustellen, daß „...Hamburg seit Jahren mit mutigen Neubauten und vorbildlicher Planung glänzt...“ (Anja Lösel im Stern Nr. 22 v. 26.05.94). Andere fragen provozierend, was denn eigentlich „...so viele Komplimente herausfordert...“ und finden eine Erklärung in einer „...auf Ängstlichkeit und Berechnung basierenden, ebenmäßigen, oft merklich hohen Durchschnittlichkeit, die noch das Mißratene als ganz ansehnlich erscheinen läßt...“ (Manfred Sack, Die Zeit Nr. 27 v. 1.07.94). Diesen sich scheinbar widersprechenden Einschätzungen von „High-Tech“ und „Tradition der Unauffälligkeit“ gesellen sich schließlich diejenigen hinzu, die den Initiatoren des Architektur Sommers neben einem „nicht zu ertragenden Größenwahn“ jedwede Fähigkeit zum Dialog absprechen – „...solange dieser Dialog zwischen Investor und politischem Entscheidungsträger im patrizierhaften Gehabe der Hamburger Politik vermauschelt wird, kann es auch keinen wirklichen Dialog über Architektur...geben.“ (Till Briegleb, taz v. 19.07.94).

Visionen – Stadtdialog

Nicht nur aus Architektensicht kann das entgegengebrachte öffentliche Interesse an dem Vorhaben des Architektur-Sommers nur begrüßt werden!

Es ist was in Bewegung!

Der Sommer ist noch nicht zu Ende und sollte uns Planer nicht dazu verleiten, im Zwischenraum notwendiger polarisierender Statements einer allgemeinen Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen.

Die Themen unserer Visionen sind nicht neu und haben demzufolge weder revolutionäres noch den Anspruch auf weltverbesserische Patentrezepte – im Gegenteil!

Wir sollten weder darauf warten,daß die mutmaßlichen Verhältnisse zwischen Investor und politischem Entscheidungsträger „sauber“ werden, noch auf der Suche nach dem Schuldigen in den hier und da anzutreffenden weinerlichen Kanon einstimmen, die „böse“ Gesellschaft nebst der sie präsentierenden politischen Tagesverhältnisse allein für die Situation verantwortlich machen zu wollen. Unseres Erachtens sollte das Phänomen, das uns selbst am naheliegendsten erscheint, in den Vordergrund unseres Tuns gestellt werden: die Arbeit an Qualität und die daraus abzuleitende, hier und da schwer auffindbare Verantwortung der Architekten, Landschaftsplaner und Städtebauer für das Stadtgefüge und Stadtbild Hamburgs.

Bewegung im Begriff der Verantwortung

Qualität bis ins Detail ist das beste Rezept!

Hamburg schmückt sich nach außen mit dem einen oder anderen Experiment entlang der Kossakschen „Perlenkette“ am Hafenrand - von der endlos scheinenden Backsteindiskussion ist dort nur am Rand oder gar nicht die Rede.

Ob neue Experimente an die Thesen des Architekten Jean Nouvel anknüpfen oder nicht, vielleicht werden sie ja sogar weiterentwickelt und etablieren eines schönen Tages Begriffe wie Interface in unserer Stadt und übertragen die internen Abläufe eines Gebäudes wieder auf die Fassadenebenen der Stadträume. Ein Dialog zwischen Backsteintapete, vielleicht auch ehrlicher Backsteinarchitektur und oben verstandener Fassadengestaltung läßt uns gespannt sein auf die Straßen einer Hamburger Metropole!

Bewegende Diskussion

Kritische Auseinandersetzung und Diskussion verlangen eine hohe Streitkultur!

Wie schwer uns Architekten dies hier und da fallen mag, haben etliche Veranstaltungen des zurückliegenden Sommers gezeigt. In diesem Zusammenhang davon zu reden, daß ein Dialog nie in der angeblich diskussionsfaulen Stadt von Senat oder Behörden, sondern immer nur von informationshungrigen Bürgern arrangiert werden muß (Manfred Sack), trifft das Phänomen nicht vollständig – wir sollten etwas dafür tun, an den schon zitierten frischen Wind des Dialoges anknüpfen zu können!

Bewegung in den politischen Ausschüssen

Viele Architekten sehen sich immer öfter damit konfrontiert, daß etliche Projekte auch nach Auszeichnungen durch Fachpreisgremien von Wettbewerbsverfahren in den politischen Ausschüssen quasi „auf der Strecke bleiben“.

Hier liegt ein wichtiger Ansatz! Ohne den in den Ausschüssen vortragenden Behördenvertretern zu nahe treten zu wollen, sollte und muß den Architekten gelingen, die erarbeiteten Konzepte selbst vorzustellen und durch die Wogen der politischen Ausschüsse zu steuern – sei dies mit oder ohne Kapitänspatent!

Statt dessen ist Praxis, daß die „Geschmackserlasse“ oftmals noch nicht einmal von den Behörden selbst (Verhinderung von negativen Ausrutschern!) auf peinlichste Einhaltung überprüft werden. Aber die politischen Mandatsträger – egal welcher Couleur – wenden diese Erlasse oft als Patentrezepte für alle nur denkbaren Aufgaben und Gebäudefigurationen an.

Daß in diesem Zusammenhang eine grundlegende „Partizipationsdebatte“ unabdingbar ist, liegt auf der Hand. Geht es doch darum, das Vakuum zwischen deren berechtigter Notwendigkeit einerseits und „Freiheit“ und „Verantwortung“ des planenden Architekten andererseits zu konkretisieren – viele Köche und „Geschmacksveredler“ verderben den Brei!

Bewegung im Umgang mit dem Instrumentarium des Planungsrechtes

Die Analyse der zurückliegenden Jahre hat die Phänomene der Verdichtung nach innen und den leider so oft unmittelbar damit verbundenen Begriff der Monostrukturen mehr als einmal in den Vordergrund gestellt. Wir sind gespannt auf die „gute Kondition“ der Notwendigkeit und Bereitschaft, hier punktuell und mit individuell konzipierten Einzelmaßnahmen einzugreifen.

Inwieweit dies allerdings mit dem Instrumentarium des oft spröden Bebauungsplanverfahrens möglich ist und sein sollte, scheint uns angesichts individueller und vielerorts vor Ort zu entwickelnder Konzeptionen mehr als fraglich.

Wir haben die Vision innovativer Behörden!

Die zielorientierte Anwendung eines Planungsrechtes kann auch sie in die Lage versetzen, mit dem heutigen Material und Instrumentarium individuelle und zeitlich absehbare Lösungen herbeizuführen.

Das Ringen um Qualität

Der Stadtraum sucht auch Ausdrucksmittel, die neuen expandierenden Lebensformen gerecht werden und entsprechende Materialien einsetzen. Er benötigt eine Architektur, die keine Angst vor neuen Medien hat und Arbeit, Stimmungen, Tempi und Temperaturen zum Ausdruck bringt!

Die zahlreichen Parameter sind dabei immer in Bewegung!

Das authentische Gestalten, der Umgang und die Auseinandersetzung mit der städtebaulichen Situation hat nichts anderes zum Ziel, als einen spannungsvollen Dialog und dialektische Auseinandersetzungen zwischen Alt und Neu zu thematisieren und eine Synthese des Gesamtwerkes (Stichworte wie Ensemble etc.) in den Vordergrund der Konzeptionen zu stellen.

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