piwik no script img

Aus dem Schneider

■ Ermittlungsverfahren gegen vermeintlichen Stasi-Spitzel Dirk Schneider eingestellt / Hat der Ex-Grüne Oppositionelle denunziert?

Dirk Schneider, PDS-Mitglied und Mitte der achtziger Jahre Abgeordneter der Grünen im Bundestag, kann aufatmen: Das Berliner Kammergericht hat die gegen ihn gerichteten Ermittlungen wegen des Verdachts der Agententätigkeit Anfang des Monats eingestellt. Nachdem er vor drei Jahren als „Moskaus Mann“ bei den Grünen aufgeflogen war, hatte er selbst eingeräumt, über die Grünen Berichte verfaßt und dafür von der DDR Geld erhalten zu haben. Der Generalbundesanwalt und die Berliner Staatsanwaltschaft hatten seitdem ermittelt – erfolglos.

Schneider sagte dem Neuen Deutschland: „Vermutlich haben sie nichts gefunden.“ – „Vermutlich konnte die Stasi belastende Akten noch rechtzeitig vernichten“, konterte dagegen Norbert Schellberg von Bündnis 90/Die Grünen gestern auf Anfrage der taz. In diesem Fall bereite ihm die Einstellung des Verfahrens Bauchschmerzen, weil dies einer Aufklärung nicht dienlich sei. Noch immer stehen die Vorwürfe im Raum, daß Schneider in den achtziger Jahren Namen von Parteimitgliedern der Grünen und von Dissidenten in der DDR an die Staatssicherheit geliefert hat.

1983 zog der AL-Politiker für die Grünen in den Bundestag und wurde der deutschlandpolitische Sprecher der Fraktion. Zuvor sei er aufgefallen, weil er das Thema Deutschlandpolitik immer ausschalten wollte, erinnerte kurz nach seiner Enttarnung Rebekka Schmidt, die 1983 und 84 Mitglied im Bundesvorstand war. Anfang 1984 wurden die Bürgerrechtlerinnen Bärbel Bohley und Ulrike Poppe nach Kontakten mit der Bundestagsfraktion der Grünen in Ost-Berlin inhaftiert. Zur gleichen Zeit, berichtete damals Schmidt, begannen die Einreiseverbote für Grüne/AL-Mitglieder in die DDR. Fast alle seien „ausgesperrt und ausgeschaltet“ worden, die Kontakte zu Friedens- und Demokratiegruppen in der DDR hatten. Im Oktober 1991 hatten selbst Grüne wie Ludger Volmer, heute Sprecher des Bundesvorstands, die strafrechtliche Verfolgung des Falles gefordert.

Schneider dementierte damals, davon gewußt zu haben, für die Stasi zu arbeiten. Seine Kontaktleute hätten ihm erzählt, sie seien dem Innenministerium verantwortlich. Die Aktionen der Grünen in der damaligen DDR habe er immer „gehaßt“ und „zum Kotzen gefunden“. Sein damaliges PDS- Mandat im Berliner Abgeordnetenhaus mußte er auf Druck seiner Partei niederlegen, kandidierte ein Jahr später aber schon wieder für die PDS in Kreuzberg.

Der bei Bündnis 90/Die Grünen intern geführte Streit um den Umgang mit Stasi-Spitzeln ist bis heute nicht ausgefochten. Auf einer Tagung zum Thema im Frühjahr dieses Jahres in Bonn lehnte Joschka Fischer eine Regelanfrage zur Enttarnung von DDR-Geheimdienstlern im Westen heftig ab, Ingrid Köppe und Bärbel Bohley sahen dagegen genau darin einen Prüfstein für den Umgang mit der gemeinsamen Vergangenheit. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen