: Italienische Bruderliebe
■ Paolo Berlusconi, krimineller Bruder von Italiens Regierungschef, stellt sich den Behörden
Rom (taz) – Mit der „freiwilligen Stellung“ des steckbrieflich gesuchten Paolo Berlusconi ist die Auseinandersetzung um die seit drei Monaten amtierende Rechtsregierung Italiens in eine neue Phase eingetreten.
Denn Paolos Bruder, Ministerpräsident Silvio Berlusconi, sah sich nach der Verhaftung genötigt, über die künftige Trennung von Regierungsamt und Privatinteressen eine Erklärung abzugeben. Selbst enge Mitarbeiter Silvio Berlusconis schließen nicht mehr aus, daß es um mehr als nur die Verwicklung des – allgemein als geistig nicht sonderlich wach geltenden – jüngeren Bruders in ansehnliche Bestechungsskandale geht. Andererseits murren nahezu alle Kommentatoren über die unbefriedigende Lösung der angepeilten Interessentrennung.
Diese Lösung suchte Berlusconi am Donnerstag in einer Pressekonferenz nicht als seine Vorstellung zu verkaufen, sondern als Idee einer Kommission aus drei Rechtsprofessoren, die seit drei Monaten an Vorschlägen arbeiten. Und ganz so, als habe er den immer massiveren Druck nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch seiner Koalitionspartner zur Klärung seiner Situation nicht wahrgenommen, bemühte er sich, dabei den Eindruck des Unbeschwerten zu vermitteln.
Konkret schlug Berlusconi vor, daß die Inhaber der drei höchsten Staatsämter – der Präsident der Republik sowie die Vorsitzenden von Senat und Abgeordnetenhaus – fünf „Kommissare“ ernennen, die die strikte Trennung von Berlusconis Amtshandlungen und seinen Privatgeschäften als Eigner der Superholding Fininvest überwachen sollen. Gleiches gilt auch für seine drei landesweit ausstrahlenden Fernseh-Privatkanäle. Berlusconi ernennt während seiner Amtszeit als Regierungschef einen Verwalter, der vom „Kommissariat“ bestätigt werden muß und von Berlusconi nur mit deren Zustimmung entlassen werden kann.
Nach Meinung fast aller Kommentatoren ist diese Lösung weitgehend unpraktikabel. Angemahnt wird das Fehlen jedes Hinweises darauf, was unter „Konflikt“ genau zu verstehen ist. Unklar bleibt, wie bei Interessenkonflikten zu verfahren ist und ob der Regierungschef, hält er sich nicht an die Verdikte der Kommission, entlassen werden muß. Auch die nominierenden Personen stoßen auf Kritik: Senats- wie KammerpräsidentIn kommen aus den Reihen der Regierungsparteien. So blieb die einzig klare Aussage Berlusconis die Erklärung über seinen Bruder – der sei ein Ehrenmann, und er sei stolz darauf, ihn als Buder zu haben.
Die Staatsanwaltschaft ist da anderer Meinung: Sie behält sich, trotz des am Freitagnachmittag zugestandenen Hausarrestes ihn „im Falle von Verdunklungsgefahr“ wieder in Haft zu nehmen. Diese Verdunklungsgefahr hatte Regierungschef Berlusconi selbst heraufbeschworen: An einem Krisengipfel in seiner Wohnung hatten Firmenmanager, Konzernanwälte, die Berlusconis und eine Reihe amtierender Minister fieberhaft nach Wegen gesucht, wie die von geständigen Mitarbeitern der Fininvest zugegebenen Bestechungen aus der Welt zu schaffen seien. Werner Raith
Seiten 10 und 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen