: Ein Hobby wie Puzzlen
■ Etwas mehr Toleranz, bitteschön: Die Star-Trek-Fans kämpfen um ihr Universum, zuletzt bereist am Freitag im Modernes
Ingo Borowski (24) trägt heute Schwarz zum Phaser. Letzten Mittwoch hat Sat.1 die letzte Folge von Star-Trek, The next generation, nach wiederholter Bildschirmlandung wieder in die Galaxis entlassen. Ingo trauert in dunkler Polyester-Garnitur. Die Rechte hat er allzeit verteidigungsbereit am Gürtel, wo die Official Starfleet Defensive Weapon eingehängt ist. „Man muß ja auf Angriffe gefaßt sein“, Feinmechaniker Ingo Borowski ist gewillt, als Nicht-Trekkies identifizierbare Außerirdische abzuwehren.
Die Bedrohung heißt Intoleranz. Wir befinden uns bereits im dritten Jahrzehnt einer Epidemie, die einst '66 von dem Texaner Gene Roddenberry ausgelöst wurde und mittlerweile weltweit abertausende 14- bis 44-jährige Infizierte zählt. Star-Trek-Kult ist unheilbar, bei Ingo Borowski hat „es vor etwa vier Jahren langsam angefangen und wurde immer schlimmer“. Noch immer aber haben die Trekkies gegen Ausgrenzung anzukämpfen; gerade in deutschen Landen würden sie gerne endlich als Hobbyisten anerkannt werden, denn „das ist doch genauso wie Puzzlen.“
Was aber puzzelt nun der gemeine Stark-Trek-Fan? Modellbausätze der Enterprise, Captain Kirk-Vinylfiguren, Sat.1-Folgen, die Home-Video-and-Book-Bibliothek, und immer wieder konspirative Begegnungen mit Gleichgesinnten. Wie letzten Freitag bei Star-Trek I, II und IV im Modernes. Dort sitzen sie und wünschen sich Scotty in den Saal, der ihnen bei der Hitze doch mal die Raumschiffkuppel hätte lüften können. Der jedoch hat anscheinend sowieso nur auserwählte Kohlenstoffeinheiten runtergebeamt – außer Ingo Borowski sind kaum uniformierte Besatzungsmitglieder auszumachen. Den unorganisierten Einzel-Fan enttäuscht das geradezu, „das Wichtigste ist doch, zu zeigen, daß man's gut findet“.
Spock, der Zauberlehrling anno 2.300 auf der knistrigen Leinwand mit Alt-60er-Synchronisation, ringt noch allen einen gemeinsamen Lacher ab; die klüngelnden Trekkies des ausgehenden 20. Jahrhunderts aber, die empfindet Brigitte aus Tarmstedt (28) dann doch eher als Abart. Zuhauf zu bestaunen sind sie hierzulande alljährlich bei ihren conventions, zuletzt in Hamburg-Harburg, im September dann in Mannheim, man erwartet 5.000. - SchauspielerInnen werden dasein, und Richard Arnold. Sein Job nennt sich Fanbetreuung, sein Arbeitgeber Paramount Pictures. Da wird dann kräftig geschwelgt und gepuscht, und heraus kommen Spocktassen, Star-Trek-Family-Krawatten und The Klingon dictionary.
„So merchandising Kram“, meint Uwe Tillmanns, 20, seit kurzem Mitarbeiter bei Cinemabilia, dem Bremer Laden in der Martinistraße, der „alles über Film und Kino“ hat, die Hälfte davon Star-Trek-Sachen, „wie der Trend es so will“. Versicherungskaufmann Uwe Tillmanns ist Vorzeige-Treckie („mich interessiert, wie man duscht und schläft in der Zukunft“) und außerdem Oldenburger, von wo ein Fan-Club gemeldet wird. Fünfzehn StudentInnen, davon sechs Frauen, geben einmal im Semester eine Star-Trek-Fete und die Star-Trek Infocom-Zeitschrift raus, kucken einmal die Woche ein „Classic“-Video und eines von „The next generation“.
Die next generation unter den Trekkies, die solidarisiert sich offensichtlich noch mit den ganz Alten, die gemeinsam mit Kirk und Crew ergraut und dick geworden sind. Auch wenn die Jungen auf mehr technische Perfektion spitzeln. Deep Space Nine, die upgedatete und frisch importierte Star-Trek-Nachfolgeserie wird allgemein zwar skeptisch, aber wohlwollend angenommen. Ein Plot ohne Ecken und Kanten. Konventionell, rund – und vor allem menschlich geht es zu bei Deep Space Nine – was würde Spock dazu sagen? There's no intelligence down there. Silvia Plahl
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