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Eine gute Ausstellung dient der Bildung Von Ralf Sotscheck

Jetzt ist sie wieder auf Schatzsuche: Das französische U-Boot „Nautile“ ist zum dritten Mal zum Wrack der „Titanic“ hinabgetaucht, um die Habseligkeiten der 2.000 Passagiere, die mit der „Unsinkbaren“ auf ihrer Jungfernfahrt vor 82 Jahren abgesoffen sind, zu bergen. Die Beute aus den bisherigen beiden Tauchserien ist reichlich: 1987 und im vergangenen Jahr wurden 2.600 Gegenstände ans Tageslicht gebracht, darunter der Dudelsack eines irischen Passagiers, ein Rasierpinsel, Uhren, ein Sack Murmeln, Geldbörsen und sogar Reiseschecks, die aufgrund der Kälte und Dunkelheit die Jahrzehnte in vier Kilometer Tiefe erstaunlich gut überstanden haben.

Ab Oktober sollen die Stücke im britischen Nationalen Schiffahrtsmuseum in Greenwich ausgestellt werden. Das New Yorker Unternehmen RMS Titanic hat sich die offiziellen Bergungsrechte gesichert – aus rein gemeinnützigen Beweggründen, versteht sich: „Eine gute Ausstellung dient der Bildung, und das ist die Rolle der Titanic in unserer Welt“, behauptete George Tulloch, der Vorsitzende der Firma. Freilich läßt sich nicht vermeiden, daß die Ausstellung nebenbei auch Geld abwirft. Nach sechs Monaten in Greenwich sollen die Stücke zehn Jahre lang durch die Welt tingeln. Geschätzter Profit: umgerechnet hundert Millionen Mark.

Möglicherweise haben deshalb viele das Unternehmen der Grabräuberei bezichtigt, unter anderem Robert Ballard, der das Wrack 1985 entdeckt hat, sowie zahlreiche Verwandte der damaligen Opfer. Die heute 82jährige Millvina Dean aus Southampton war mit neun Wochen damals die jüngste Überlebende. „Die hätten das Wrack von Anfang an in Ruhe lassen sollen“, sagt sie. Flottenadmiral Lewin von der Museumsleitung versuchte, ihre Bedenken zu zerstreuen: „Die Ausstellungsstücke stammen vom Meeresgrund, und nicht aus dem Schiffswrack“, sagte er. Kunststück: Als die Titanic am 15. April 1912 zu Boden sackte, brach sie in zwei Teile, die mehr als einen halben Kilometer auseinanderliegen. Schiffsausrüstung und persönliche Gegenstände sind über eine Fläche verstreut, die so groß wie London ist.

„Die Ausstellungsstücke bleiben als Sammlung zusammen“, verspricht der Flottenadmiral. „Sie werden restauriert und niemals für kommerzielle Zwecke verkauft.“ In einem Papier, das „ausschließlich für den Gebrauch von Händlern und ihren offiziellen Bevollmächtigten“ bestimmt ist, klingt das freilich anders: „Nichts verbietet es der RMS Titanic, geborgene Wertgegenstände jetzt oder in Zukunft zu verkaufen.“ An anderer Stelle wird man noch deutlicher: Der Wert der 1.800 Gegenstände, die bei der Tauchfahrt 1987 geborgen wurden, betrage umgerechnet etwa neunzig Millionen Mark, heißt es dort. Damals hatte man auch gleich einen Wunschzettel für die zweite Tauchserie aufgestellt: eine Diamantensendung, die 1912 schon fünf Millionen Dollar wert war, der Safe aus der Kapitänskabine sowie ein mit Juwelen besetztes Exemplar von Fitzgeralds Übersetzung des Gedichts „The Rubaiyat“. Alles für Bildungszwecke? Nach der Welttournee sollen die Gegenstände in einem New Yorker Museum bleiben. Dann hätten sie doch noch ihr Reiseziel erreicht – wenn auch ohne ihre ehemaligen Besitzer und mit erheblicher Verspätung.

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