■ Deutschland anonym
: „Wir liefern Feuerschutztüren an AKWs“

Wie ist es eigentlich, wenn man als ehemaliger AKW-Gegner einen Stahlhandel führt?

Geldverdienen ist doch nichts Schlimmes.

Geld soll aber doch nicht glücklich machen.

Ich wohne in einer Villa, habe ein Schwimmbad, empfange mit der teueren Satellitenanlage sämtliche Fernsehprogramme der Welt. Und ich mache mir keine Vorwürfe mehr, wenn die Tachonadel 275 anzeigt.

Sind Sie glücklich?

Nicht unbedingt, aber reich.

Und damals, 1981, als Sie im Berliner KaDeWe Buttersäure versprühten und Steine durch Lufthansa-Bürofenster schmissen, waren Sie da glücklich?

Jooh. Ich glaubte, die Gesellschaft verändern zu können.

Und warum ließen Sie sich dann vor sieben Jahren vom Pflichtgefühl in den geerbten Stahlhandel zurücktreiben?

Weil die politischen Ideale, denen ich nachgelaufen war, sich als ganz unrealistisch erwiesen hatten. Ich hatte doch immer meine Millionen. Frei von finanziellen Dingen konnte ich mich auf das politische Fernziel der freien und liberalen Gesellschaft konzentrieren. Die drängenden Probleme vor Ort, die Existenznöte der einzelnen in der Szene, habe ich nie gesehen.

Die Hausbesetzerzeit war nur ein nettes Zwischenspiel im satten Millionärsleben?

Überhaupt nicht. Wenn ich da nicht gewesen wäre, würde ich meinen Betrieb heute anders führen. Mit meinen fünfzig Mitarbeitern gehe ich um wie mit einer großen Wohngemeinschaft.

Ach was!

Du mußt lange suchen, bis du hier eine Firma findest, in der der Ton so locker ist!

Eins stimmt: Ich frage heute nicht mehr nach dem großen gesellschaftlichen Ziel, sondern danach: Wo habe ich Einfluß, wie kann ich wirken? Ich kann versuchen, 50 Menschen zu verändern. Aber Veränderung heißt auch, Verantwortung für die Veränderung zu übernehmen.

Sein Vater machte ein Millionenvermögen mit Atomgeschäften. Als er 1981 starb, fiel der Stahlhandel an den Sohn. Der aber suchte Zuflucht vor dem Erbe bei den Hausbesetzern in Berlin und wurde einer der angesehensten Szene-Photographen. Heute sitzt der 39jährige in einer Kleinstadt am Schreibtisch des verstorbenen Vaters, leitet das Stahlunternehmen und vermehrt das verschmähte Millionenerbe

Stimmt denn so viel Geld mildtätig?

Wir verteilen 25 Prozent des Reingewinns, etwa 500.000 Mark im Jahr, an die Mitarbeiter. Meine Frau kommt aus Swaziland, deswegen unterstütze ich dort unten Schulen. Aber ich bin kein Karl-Heinz Böhm in Afrika. Ich sitze hier im Norden. Ich muß hier arbeiten.

Gibt es Aufträge, die Sie nicht annehmen würden?

Ja, solche Schweinereien wie Imhausen würde ich nicht machen. Ich würde auch nicht für den Rüstungsexport arbeiten.

Und keine Atomkraftwerke beliefern?

Wir haben an ein AKW gerade für 200.000 Mark Feuerschutztüren geliefert. Ich seh' das so: Mit der Lieferung verringern wir das Restrisiko. Ich mache also das AKW sicherer. Strenggenommen ist das politisch zwar eine Scheißargumentation. Aber im Umkreis von 50 Kilometer würden auch drei andere Wettbewerber den Auftrag annehmen. Aber so läuft das Geschäftsleben eben.

Was ist besser: ein politisch korrektes Lebenswerk zu verfolgen und kein Geld zu haben, oder Geld, aber kein Lebenswerk?

Wenn wir früher mit Hilfe meiner Photos Leute aus dem Gerichtssaal rausgehauen haben, hat mich das tiefer befriedigt, als wenn ich heute wieder eine Stahlfiliale eröffne. Aber hier im Kaff kann ich nicht den Anarcho raushängen lassen. Schließlich gucken mich schon alle blöd an, weil ich mit einer Schwarzen verheiratet bin.

Haben Sie Freunde?

Nein. Ich habe Geschäftspartner. Und die lade ich nicht nach Hause ein. Interview: Annette Rogalla