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Methode gegen den Stillstand

■ „Kontrast“, ein Verein für „folgenreiche Fortbildung“, hilft Gruppen, Projekten und Initiativen, mit einer Zukunftswerkstatt neue Wege zu finden

Nein, schlechte Erfahrungen hätte eigentlich noch keine Gruppe bei ihnen gemacht. Karen Haubenreiser lacht. Häufig sind es Lehrerkollegien, die kommen, und die sind nachher hochzufrieden. Und machen was? Zukunftswerkstatt. Das ist kein Raum und kein Gebäude, sondern eine Methode, ein Mittelding zwischen Organisationsentwicklung und Supervision. Eine Methode für Gruppen, die einen Neuanfang suchen, „eben für alle, bei denen es nicht weitergeht und die ihre gemeinsame Arbeit gestalten wollen“, wie es die studierte Psychologin erklärt.

Der kürzlich verstorbene Robert Jungk habe die Grundzüge der Methode Ende der 60er Jahre entwickelt, für Initiativen und Gruppen, „um Menschen zu ermutigen, eigene Zukunftsvorstellungen zu entwickeln und sich zu artikulieren“, wie Karen Haubenreiser es umschreibt. Eine Methode mit einem simplen Schema: der Kritikphase, der Utopiephase und der Umsetzungsphase. In der ersten Phase wird Kritik und Unbehagen an der derzeitigen Situation gesichtet und bearbeitet. In Phase zwei werden Wünsche und Bedürfnisse zu gemeinsamen Utopien entwickelt und diskutiert. In Phase drei schließlich geht es um die Erarbeitung realisierbarer Projekte und Umsetzungsstrategien.

Die 27jährige arbeitet seit 1991 mit fünf Studienkollegen in „Kontrast“ zusammen, ein „Verein für folgenreiche Fortbildung“, so die Erklärung auf der Selbstdarstellungsbroschüre. Ihre Aufgabe ist es, eine meist auf drei Tage ausgedehnte Zukunftswerkstatt zu moderieren. Teilnehmer sind vor allem Gewerkschaften, aber auch Krankenhäuser, Stadtteilinitiativen, selbst eine Gruppe aus der Hafenstraße ist dabei.

Allerdings hat „Kontrast“ die Jungk-Methode nach eigenen Bedürfnissen weiterentwickelt. Auch Utopien gelte es kritisch zu reflektieren. Wenn beispielsweise verunsicherte ÖPNV-Nutzer nach schwarzen Sheriffs verlangen, um ein Optimum an Sicherheit zu erhalten.

Auch sei es sinnvoll in der Kritikphase die Frage zu stellen, „warum machen wir es trotzdem so“. Oft, so Haubenreiser, kämen Kollegien zum Beispiel zu der Einsicht, daß mangelnde Zusammenarbeit auch eine nützliche Funktion hat, nämlich ein Schutz vor Kritik sein kann. Die schönsten Vorsätze nützen nichts, wenn dies nicht berücksichtigt wird.

Das Psychologen-Team, das seine theoretische „Heimat“ in der kritischen Psychologie sieht, deren Grundannahme das Wechselspiel zwischen gesellschaftlicher und individueller Entwicklung ist, sah in der Vereinsgründung die sinnvolle Alternative zur Vereinzelung in Institutionen oder zur auch unter Psychologen verbreiteten Arbeitslosigkeit.

Das „Kontraste“-Team arbeitet freiberuflich. Allerdings reichen die Honorare nicht hin, so daß jedeR noch einen Nebenjob hat. Ein Seminar für 10 bis 20 Teilnehmer kostet drei bis viertausend Mark. Finanziert wird diese ungewöhnliche Art der Gruppenfortbildung meist aus Fortbildungs- und Supervisions-Töpfen von Projekten und Gewerkschaften. Oder im Rahmen des WHO-Programms „gesündere Schule“.

„Kontraste“ bietet auch Moderationstraining, Ausbildung zur Zukunftswerkstatt-Moderatorin, Seminare zur Kooperationsverbesserung und „Erinnerungsarbeit“ an. Letzteres ist eine von der Hamburger Professorin Frigga Haug entwickelte Forschungsmethode zur Frage, wie aus Erfahrungen gelernt werden kann und Erkenntnisse zu gewinnen sind. Eine Methode, die es ermöglicht, Distanz zur eigenen Erfahrung zu gewinnen, den „fremden Blick“, wie es die Haug-Schülerin Haubenreiser formuliert. Gerade für BeraterInnen sei diese Reflexion lohnend und auch für Selbsthilfegruppen hilfreich, die jedoch meist kein Geld haben.

Doch insgesamt steigt die Nachfrage nach Gruppenfortbildung kontinuierlich an. Haubenreiser: „Für viele Institutionen ist es eine Frage des Überlebens, die eigenen Mitarbeiter ernst zu nehmen“.

Kaija Kutter

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