piwik no script img

Serbenparlament fordert 64 Prozent Bosniens

■ IRK: „Ethnische Säuberungen“ gehen weiter

Sarajevo/Berlin (AP/taz) – Der Präsident des selbsternannten „Parlamentes“ der bosnischen Serben, Momcilo Krajišnik, hat gestern 64 Prozent des bisherigen bosnischen Territoriums für seine Volksgruppe gefordert. Serbische Truppen kontrollieren derzeit rund 70 Prozent des UN- Mitgliedslandes. Im Friedensplan der Kontaktgruppe, den das „Parlament“ bei seiner Sitzung in Pale nahe Sarajevo in der letzten Woche abgelehnt hatte, waren ihnen 49 Prozent der ex-jugoslawischen Republik angeboten worden.

„Die Serben sind für Frieden, aber einen Frieden, der ihnen 64 Prozent des Gebiets des früheren Bosnien-Herzegowina überläßt und ihnen Selbstbestimmung garantiert“, so Krajišnik gestern. Der Teilungsplan ließe den Serben zwar über 49 Prozent des Territoriums, aber nur über 20 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes. Die Mitgliedstaaten der Kontaktgruppe – die USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland – lehnen Nachverhandlungen bisher ab.

Derweil geht die „ethnische Säuberung“ in den serbisch besetzten Gebieten Bosniens weiter. Das Internationale Rote Kreuz (IRK) veröffentlichte gestern eine Liste der bosnischen Serben, auf der die Namen von 111 in Arbeitslager verschleppten muslimischen Bosniern verzeichnet sind. In Sarajevo erklärte die IRK-Sprecherin Lisa Jones, die bosnischen Serben hätten zugegeben, in den letzten Wochen über 100 Männer aus der nordostbosnischen Stadt Bijiljina in ein Arbeitslager nahe Lopare verschleppt zu haben. Mehr als 300 Frauen, Kinder und Alte seien aus ihren Häusern vertrieben worden. Bislang sei es dem IRK verboten, das Lager zu betreten.

Gestern abend wollte der Oberkommandierende der UN-Truppen in Bosnien, General Michael Rose, mit dem Kommandeur der bosnischen Serben, General Ratko Mladić, in Sarajevo zusammenkommen. Rose hatte formell um das Gespräch gebeten, um über die Entmilitarisierung der bosnischen Hauptstadt zu sprechen. „Ich wäre sehr froh über ein formelles Gesuch Ihrerseits, Ihre schweren Waffen abzuziehen“, so der UN-General in seinem Schreiben an den serbischen Kommandanten. Bisher hat die UN 280 schwere serbische Waffen in neun Depots in der 20-Kilometer-Sperrzone um Sarajevo zusammengezogen. Am letzten Freitag hatten serbische Soldaten ein Depot überfallen und fünf Waffen entwendet. rr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen